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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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des Parlaments und der Freiheit anzuschließen. Die Erinnerung an diesen unglücklichen König und seine Gefährten, den liebenswürdigen Falkland, den hochfahrenden Goring, an seine Königin und seinen Sohn verlieh jedem Teil der Stadt, in dem sie möglicherweise geweilt hatten, einen besonderen Reiz. Hier hatte der Geist der alten Zeit seine Heimstatt, und es war unsere größte Freude, seinen Schritten nachzugehen. Auch wenn diese Gefühle in unserer Vorstellungskraft keine ausreichende Befriedigung erfahren hätten, besaßen die Ansichten der Stadt doch auch für sich Schönheit genug, um unsere Bewunderung zu erringen. Die Universitätsgebäude sind alt und malerisch, die Straßen sind beinahe prächtig, und die liebliche Isis, die inmitten herrlich grüner Wiesen daran vorbeifließt, weitet sich zu einer stillen Wasserfläche, die die majestätische Versammlung von Türmen und Spitzen und Kuppeln, zwischen uralte Bäume geschmiegt, wie ein Spiegel zurückwirft.
    Ich genoß dieses Bild. Und doch verbitterte die Erinnerung an die Vergangenheit wie der Vorausblick in die Zukunft meinen Genuß. Ich war für das friedliche Glück geschaffen. In meinen Jugendtagen war nie die Unzufriedenheit bei mir eingekehrt. Und wenn mich je ennui heimsuchte, so konnten der Anblick des Schönen in der Natur oder das Studium des Vortrefflichen und Erhabenen in den Werken der Menschen jederzeit mein Herz fesseln und meinen Lebensgeistern neue Spannkraft verleihen. Doch ich bin ein versengter Baum, der Blitzschlag ist mir in die Seele gedrungen. Und ich spürte damals, daß ich am Leben bleiben würde, um zur Schau zu stellen, was ich bald nicht länger sein werde – den erbärmlichen Anblick eines vernichteten Menschen, anderen bemitleidenswert und mir selbst unerträglich.
    Wir brachten ziemlich lange Zeit in Oxford zu, durchstreiften seine Umgebung und bemühten uns, jede Stelle zu identifizieren, die mit der wohl anregendsten Epoche der englischen Geschichte in Beziehung stehen mochte. Unsere kleinen Entdeckungsfahrten weiteten sich durch die sich uns nacheinander darbietenden Sehenswürdigkeiten oft genug aus. Wir besuchten das Grab des berühmten Hampden und das Feld, wo dieser Patriot fiel. Einen Moment lang erhob sich meine Seele über ihre erniedrigenden und kläglichen Ängste hinaus und widmete sich der Betrachtung der göttlichen Gedanken der Freiheit und Selbstaufopferung, wofür diese Stätten Denkmale und Erinnerungsbrücken waren. Einen flüchtigen Augenblick lang wagte ich es, meine Fesseln abzuschütteln und mit freiem und stolzem Geist um mich zu blicken; doch das Eisen hatte sich in mein Fleisch gebohrt, und ich sank wieder bebend und hoffnungslos in mein elendes Ich zurück.
    Mit Bedauern verließen wir Oxford und fuhren nach Matlock weiter, das unsere nächste Station war. Das Land in der Umgebung dieses Städtchens ähnelte mehr der Landschaft der Schweiz, aber alles ist in kleinerem Maßstab gehalten, und den grünen Hügeln fehlt die Krönung der fernen weißen Alpen, die stets hinter den tannenbestandenen Bergen meines Vaterlandes aufragen. Wir besuchten die erstaunliche Höhle und die kleinen naturgeschichtlichen Ausstellungen, wo man die Kuriositäten in derselben Weise wie in den Sammlungen von Servox und Chamonix zur Schau stellt. Bei letzterem Namen erbebte ich, als Henri ihn aussprach. Und ich beeilte mich, Matlock zu verlassen, mit dem sich jene furchtbare Szene auf diese Art verknüpfte.
    Von Derby aus reisten wir weiter nordwärts und verbrachten zwei Monate in Cumberland und Westmorland. Jetzt konnte ich mir fast einbilden, in den Schweizer Bergen zu sein. Die kleinen Schneeflecken, die sich noch an den Nordhängen der Berge hielten, die Seen und das Schäumen der felsigen Flüsse war mir alles ein vertrauter und lieber Anblick. Hier schlossen wir auch einige Bekanntschaften, womit es mir beinahe gelang, mich in ein trügerisches Glück zu versetzen. Clervals Begeisterung war entsprechend größer als meine. Sein Geist weitete sich im Umgang mit begabten Männern, und er entdeckte in seinem Wesen größere Fähigkeiten und eine tiefere geistige Regsamkeit, als er es sich im Verkehr mit ihm unterlegenen Menschen hätte vorstellen können. »Ich könnte mein ganzes Leben hier verbringen«, sagte er mir, »und in diesen Bergen würde ich mich kaum nach der Schweiz und dem Rhein sehnen.«
    Doch er stellte fest, daß das Leben eines Reisenden neben großen Freuden auch viel Pein bereitet. Seine

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