Frankenstein
vernichten?«
»Fort mit dir! Ja, ich breche mein Wort; nie werde ich noch ein Wesen wie dich schaffen, dir gleich an Mißgestalt und Bosheit.«
»Sklave, damals habe ich dich zu überzeugen versucht, aber du hast dich meinem Versöhnungswillen nicht würdig erwiesen. Vergiß nicht, daß ich Macht besitze. Du hältst dich für unglücklich, aber ich kann dich so untröstlich machen, daß dir das Licht des Tages verhaßt wird. Du bist mein Schöpfer, doch ich bin dein Gebieter – gehorche!«
»Die Stunde meiner Unschlüssigkeit ist vorbei, und die Zeit deiner Macht ist gekommen. Deine Drohungen können mich nicht dazu bewegen, eine Ruchlosigkeit zu begehen. Aber sie bekräftigen mich in meinem Entschluß, dir keine Gefährtin in der Bosheit zu schaffen. Soll ich kaltblütig einen Dämon auf die Erde loslassen, der sich an Tod und Qual ergötzt? Fort mit dir! Ich bleibe standhaft, und deine Worte können nur meinen Zorn erregen.«
Das Ungeheuer sah mir meine Entschlossenheit am Gesicht an und knirschte vor ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. »Soll jeder Mensch«, rief er, »ein Weib für seinen Busen finden und jedes Tier seine Gefährtin haben, und ich bleibe allein? Ich besaß Gefühle der Zuneigung, und man hat sie mit Abscheu und Verachtung vergolten. Mensch! Du magst hassen, doch hüte dich! Du wirst deine Lebensstunden in Angst und Herzeleid verbringen, und bald schlägt der Blitzstrahl ein, der dir dein Glück für immer entreißen muß. Sollst du glücklich sein, während ich in grenzenloser Qual am Boden krieche? Du kannst meine anderen leidenschaftlichen Wünsche vereiteln, doch die Rache bleibt mir – die Rache, die mir von nun an kostbarer ist als Licht oder Nahrung! Ich mag sterben. Aber erst sollst du, mein Tyrann und Peiniger, die Sonne verfluchen, die auf deinen Jammer herabblickt. Hüte dich, denn ich bin furchtlos und deshalb mächtig. Ich will dich mit der List einer Schlange beobachten, damit ich dich mit ihrem Gift verwunden kann. Mensch, du sollst das Unglück bereuen, das du mir zufügst.«
»Laß ab, du Teufel! Und vergifte nicht die Luft mit diesen Worten des Hasses. Ich habe dir meinen Entschluß verkündet, und ich bin kein Feigling, der sich Worten beugt. Verlasse mich, ich bin unerbittlich.«
»Es ist gut. Ich gehe. Aber denke daran, in deiner Hochzeitsnacht bin ich bei dir.«
Ich stürzte vor und rief: »Schurke! Bevor du mein Todesurteil unterschreibst, überzeuge dich, ob du selbst sicher bist.«
Ich hätte ihn gepackt, doch er wich mir aus und verließ Hals über Kopf das Haus. Gleich darauf sah ich, wie er in seinem Boot pfeilschnell über das Wasser schoß und sich bald zwischen den Wellen verlor.
Alles war wieder still. Doch seine Worte klangen in meinen Ohren nach. Ich brannte zornerfüllt darauf, den Mörder meines Friedens zu verfolgen und in den Ozean zu werfen. Hastig und aufgewühlt schritt ich in meinem Zimmer auf und ab, während meine Vorstellungskraft tausend Bilder heraufbeschwor, mich zu foltern und zu durchbohren. Warum war ich ihm nicht gefolgt, um einen Kampf auf Leben und Tod mit ihm auszufechten? Doch ich hatte ihn gehen lassen, und er hatte sich zum Festland gewandt. Mich schauderte bei dem Gedanken, wer das nächste Opfer sein mochte, das seiner ungestillten Rache anheimfallen mochte. Und dann dachte ich wieder an seine Worte: »In deiner Hochzeitsnacht bin ich bei dir.«
Das war also der Zeitpunkt, da sich mein Schicksal erfüllen sollte. In jener Stunde sollte ich sterben und damit seine Bosheit zugleich befriedigen und auslöschen. Die Aussicht weckte keine Furcht in mir. Doch wenn ich an meine geliebte Elisabeth dachte – an ihre Tränen und ihren endlosen Gram, wenn sie ihren Geliebten so barbarisch von ihrer Seite gerissen fände –, strömten mir die Tränen aus den Augen, die ersten, die ich seit vielen Monaten vergossen hatte, und ich nahm mir vor, nicht ohne verbissene Gegenwehr vor meinem Feind zu fallen.
Die Nacht verstrich, und die Sonne stieg aus dem Ozean auf. Meine Gefühle kamen zur Ruhe, falls man es Ruhe nennen kann, wenn das Ungestüm der Wut zu den Tiefen der Verzweiflung hinabsinkt. Ich verließ das Haus, den gräßlichen Schauplatz der Auseinandersetzung der vergangenen Nacht, und schritt am Ufer des Meeres entlang, das ich beinahe als unüberwindliche Schranke zwischen mir und meinen Mitmenschen betrachtete; ja, der Wunsch stahl sich in mein Gemüt, es möge wirklich so sein. Ich wünschte, ich könnte mein Leben auf diesem
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