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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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hinaus. Das Meer war völlig verlassen: ein paar Boote fuhren landwärts, doch ich hielt entgegengesetzten Kurs. Ich hatte das Gefühl, als wollte ich ein schreckliches Verbrechen begehen, und mied mit schaudernder Angst jede Begegnung mit meinen Mitmenschen. Einmal legte sich plötzlich eine dicke Wolke vor den Mond, der vorher klar gewesen war, und ich nutzte die vorübergehende Dunkelheit und warf meinen Korb ins Meer; ich lauschte dem gurgelnden Laut, als er versank, und verließ dann die Stelle. Der Himmel bezog sich, doch die Luft war rein, wenn auch kalt, da sich von Nordwesten eine Brise erhob. Doch sie erfrischte mich und erfüllte mich mit so angenehmen Empfindungen, daß ich noch länger auf dem Wasser zu bleiben beschloß. Ich machte das Ruder fest und streckte mich auf dem Boden des Bootes aus. Wolken verbargen den Mond, alles war dunkel, und ich hörte nur das Geräusch des Bootes, dessen Kiel die Wellen durchschnitt. Das Murmeln lullte mich ein, und binnen kurzem schlief ich fest.
    Ich weiß nicht, wie lange ich in dieser Situation verweilte, doch als ich erwachte, sah ich, daß die Sonne bereits recht hoch stand. Der Wind war steif, und die Wellen bedrohten ständig mein leichtes Boot. Ich bemerkte, daß der Wind von Nordost kam und mich weit von der Küste abgetrieben haben mußte, von der ich abgelegt hatte. Ich versuchte meinen Kurs zu ändern, bemerkte jedoch rasch, daß das Boot bei einem nochmaligen Versuch sofort voll Wasser schlagen würde. In dieser Lage war mein einziger Ausweg, vor dem Wind zu segeln. Ich gestehe, daß ich einige Angst empfand. Ich hatte keinen Kompaß bei mir und kannte mich so wenig in der Geographie dieses Teils der Welt aus, daß die Sonne mir kaum etwas nützte. Womöglich würde ich in den weiten Atlantik hinaustreiben und alle Qualen des Verhungerns erleiden, oder die unermeßlichen Wogen würden mich verschlingen, die sich um mich her tosend überschlugen. Ich war schon viele Stunden draußen und fühlte die Folter eines brennenden Durstes, ein Vorspiel künftigen Leidens. Ich blickte zum Himmel auf, bedeckt von Wolken, die vor dem Wind flohen, nur um von den nächsten ersetzt zu werden, ich blickte auf das Meer, es sollte mein Grab werden. »Unhold!« rief ich aus. »Dein Werk ist schon vollbracht!« Ich dachte an Elisabeth, an meinen Vater und an Clerval. Alle blieben zurück, an denen das Ungeheuer unbarmherzig seine blutdürstigen Leidenschaften befriedigen konnte. Dieser Gedanke stürzte mich in so furchtbare, verzweiflungsvolle Phantasien, daß ich, sobald ich daran denke, sogar jetzt noch davor schaudere, wo sich die Szene bald für immer vor mir schließt.
    So vergingen mehrere Stunden. Doch während die Sonne sich zum Horizont neigte, legte sich allmählich der Wind und wurde zu einer sanften Brise, und die Brecher wichen von der See. Sie machten jedoch einer schweren Dünung Platz. Mir war übel, und ich vermochte kaum das Ruder zu halten, als ich plötzlich im Süden einen Streifen hochliegenden Landes erblickte.
    War ich von der Erschöpfung und der schrecklichen Spannung, die ich mehrere Stunden lang durchlitten hatte, beinahe entkräftet, so strömte diese plötzliche Gewißheit, am Leben zu bleiben, doch wie eine Flut warmer Freude in mein Herz, und Tränen rannen mir aus den Augen.
    Wie wandelbar sind unsere Gefühle, und wie eigenartig ist diese festhaftende Liebe, mit der wir uns noch im tiefsten Unglück an das Leben klammern! Aus einem Teil meiner Kleidung machte ich mir noch ein Segel zurecht und hielt mit Ungeduld Kurs auf das Land. Es sah wild und felsig aus, doch als ich näherkam, gewahrte ich bald Spuren der Bebauung. Nahe an der Küste sah ich Boote und fand mich mit einem Mal in die Nähe der zivilisierten Menschheit zurückgetragen. Ich folgte sorgfältig dem Verlauf der Küste, bis ich hinter einer kleinen Landzunge mit Freude einen Kirchturm auftauchen sah. Da ich mich in einem Zustand äußerster Erschöpfung befand, beschloß ich direkt auf die Stadt zuzuhalten, wo ich mir am leichtesten Nahrung verschaffen konnte. Zum Glück hatte ich Geld bei mir. Als ich die Landzunge umfuhr, erblickte ich eine hübsche kleine Stadt und einen guten Hafen und steuerte dahinein, wobei mir das Herz über mein unerwartetes Entrinnen hüpfte.
    Während ich damit beschäftigt war, das Boot festzumachen und die Segel einzuholen, drängten mehrere Leute herzu. Sie schienen von meinem Erscheinen sehr überrascht zu sein. Doch statt mir Hilfe anzubieten,

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