Frankenstein
mit, das ich gejagt hatte, und nachdem ich mir einen bescheidenen Anteil genommen hatte, machte ich es immer denen zum Geschenk, die mir Feuer und Kochgerätschaften überlassen hatten.
So, wie ich mein Leben verbrachte, war es mir nichts als verhaßt, und allein im Schlaf vermochte ich Glück zu kosten. O gesegneter Schlaf! Oft, wenn mir das Herz am schwersten war, legte ich mich zur Ruhe, und meine Träume lullten mich ein bis zu tiefstem Entzücken. Die Geister, die mich behüteten, hatten mir diese Augenblicke, oder vielmehr Stunden des Glücks verschafft, damit ich bei Kräften bliebe, um meine Wallfahrt zu vollenden. Ohne diese Atempause wäre ich unter meiner Mühsal zusammengebrochen. Tagsüber hielt mich die Hoffnung auf die Nacht aufrecht und bei gutem Mut: denn im Schlaf sah ich meine Freunde, meine Frau und mein geliebtes Vaterland. Wieder sah ich das gütige Antlitz meines Vaters, hörte den Silberklang der Stimme meiner Elisabeth und erblickte Clerval in der Blüte der Jugend und Gesundheit. Oft, wenn ich von einem beschwerlichen Marsch erschöpft war, redete ich mir ein, ich träume bis zur Nacht, und dann werde ich in den Armen meiner liebsten Freunde die Wirklichkeit genießen. Welche qualvolle Liebe ich für sie empfand! Wie ich mich an ihre lieben Gestalten klammerte, wenn sie manchmal sogar in meinen wachen Stunden spukgleich vor mir standen und mir einredeten, sie seien noch am Leben! In solchen Augenblicken erstarb die Rachsucht, die in meinem Herzen brannte, und ich setzte meinen Weg zur Vernichtung des Dämons fort, mehr als eine vom Himmel auferlegte Pflicht, als mechanischen Impuls einer mir unbewußten Kraft, denn als glühenden Wunsch meiner Seele.
Wie es um die Gefühle dessen stand, den ich verfolgte, kann ich nicht wissen. Manchmal hinterließ er mir freilich auf Baumrinde geschriebene oder in Stein gehauene Zeichen, die mich weiterwiesen und meine Wut aufstachelten. »Meine Herrschaft ist noch nicht zu Ende« (diese Worte waren auf einer solchen Inschrift zu lesen), »du lebst, und meine Macht ist vollkommen. Folge mir, ich suche das ewige Eis des Nordens, wo du die Qual von Kälte und Frost fühlen wirst, gegen die ich unempfindlich bin. Wenn du nicht zu saumselig folgst, findest du in der Nähe einen toten Hasen. Iß und stärke dich. Komm, mein Feind. Wir müssen noch miteinander um unser Leben ringen, aber viele schwere und trübe Stunden mußt du noch ertragen, bis es soweit ist.«
Höhnischer Teufel! Noch einmal schwöre ich Rache. Noch einmal weihe ich dich, elender Unhold, der Folter und dem Tod. Nie will ich meine Suche aufgeben, bis er umkommt oder ich. Und mit welcher Verzückung werde ich mich dann mit meiner Elisabeth und meinen verstorbenen Freunden vereinigen, die schon jetzt die Belohnung für meine langwierige Mühsal und schreckliche Pilgerfahrt vorbereiten!
Während ich meine Reise gen Norden fortsetzte, wurden die Schneefälle dichter, und die Kälte nahm in einem beinahe unerträglichen Maße zu. Die Bauern hatten sich in ihre Hütten verkrochen, und nur einige wenige ganz abgehärtete wagten sich hinaus, um die Tiere zu fangen, die der Hunger zum Beutesuchen aus ihren Schlupfwinkeln getrieben hatte. Die Flüsse waren zugefroren, und ich konnte keine Fische mehr fangen, und so war ich von meiner wichtigsten Nahrungsquelle abgeschnitten.
Der Triumph meines Feindes steigerte sich mit der Schwierigkeit meiner Aufgabe. Eine Inschrift, die er zurückließ, lautete: »Bereite dich vor! Deine Mühsal fängt erst an: hülle dich in Pelze und beschaffe dir Nahrung, denn bald treten wir eine Reise an, wo deine Leiden meinen immerwährenden Haß befriedigen werden!«
Diese höhnischen Worte stärkten meinen Mut und meine Standhaftigkeit. Ich nahm mir vor, mein Ziel nicht aufzugeben. Und den Himmel um Beistand anrufend, durchquerte ich mit unvermindert brennendem Eifer ungeheure Einöden, bis in der Ferne als äußerste Begrenzung des Horizonts der Ozean aufblinkte. Ach! Wie wenig er doch den blauen Gewässern des Südens glich! Mit Eis bedeckt, ließ er sich nur durch seinen noch rauheren und zerklüfteteren Anblick vom Land unterscheiden. Die Griechen weinten vor Freude, als sie von den Bergen Asiens aus das Mittelmeer erblickten, und begrüßten beglückt das Ende ihrer Mühen. Ich weinte nicht, doch ich kniete nieder und dankte aus vollem Herzen dem Genius, der mich leitete, daß er mich in Sicherheit an den Ort geführt hatte, wo ich, dem Hohn meines Gegners zum
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