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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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Zacken verbarg. Ich holte wirklich merklich auf, und als ich nach einer Fahrt von zwei Tagen meinen Feind höchstens eine Meile entfernt erblickte, hüpfte mir das Herz im Leibe.
    Doch jetzt, als ich fast in Reichweite meines Feindes zu sein schien, wurden meine Hoffnungen plötzlich ausgelöscht, und ich verlor so vollständig wie nie zuvor jede Spur von ihm. Eine Grundsee begann zu grollen; während sie vordrang und das Wasser unter mir sich heranwälzte und anschwoll, wurde ihr Donner von Augenblick zu Augenblick bedrohlicher und erschreckender. Ich drängte vorwärts, jedoch vergeblich. Der Wind frischte auf, die See toste, und wie unter dem mächtigen Stoß eines Erdbebens splitterte die Eisdecke und riß mit einem ungeheuren, betäubenden Krachen auf. Es war rasch geschehen: binnen weniger Minuten wogte eine aufgewühlte See zwischen mir und meinem Feind, und ich trieb auf einer Eisscholle dahin, die ständig kleiner wurde und mich so auf einen grausigen Tod vorbereitete.
    Derart vergingen viele entsetzliche Stunden. Mehrere meiner Hunde verendeten, und ich stand kurz davor, meinem überwältigenden Mißgeschick zu erliegen, als ich Ihr Schiff vor Anker liegen sah, das mir Hoffnung auf Hilfe und Überleben verhieß. Ich hatte keine Ahnung, daß Schiffe überhaupt so weit nach Norden kommen, und der Anblick verblüffte mich. Rasch riß ich einen Teil meines Schlittens ab, um mir Ruder zurechtzumachen. Mit ihrer Hilfe vermochte ich unter unendlicher Anstrengung mein Eisfloß in Richtung auf Ihr Schiff zu bewegen. Ich hatte mir vorgenommen, falls Sie südlichen Kurs hielten, mich eher wieder der See anzuvertrauen, als meine Absicht aufzugeben. Ich hoffte, Sie dazu bewegen zu können, mir ein Boot zu überlassen, mit dem ich meinen Feind verfolgen könnte. Doch Ihr Kurs lag nordwärts. Sie nahmen mich an Bord, als meine Energie erschöpft war, und ich wäre sehr bald, von meinen vielfältigen Bedrängnissen überwältigt, dem Tod verfallen, den ich immer noch fürchte – denn meine Aufgabe ist noch nicht erfüllt.
    Ach! Wann wird mir der Genius, der mich leitet, die Rast gestatten, nach der mich so sehr verlangt, indem er mich zu dem Dämon führt? Oder muß ich sterben, und er lebt weiter? Walton, schwören Sie mir, daß er nicht entkommen soll, wenn ich tot bin, daß Sie ihn suchen und mit seinem Tod meine Rache befriedigen. Sollte ich von Ihnen zu verlangen wagen, meine Bußfahrt auf sich zu nehmen, die Mühsal zu ertragen, die ich auf mich genommen habe? Nein, so egoistisch bin ich nicht. Aber wenn ich tot bin und er erscheinen sollte, wenn die dienstbaren Geister der Rache ihn zu Ihnen führen sollten, schwören Sie, daß er nicht am Leben bleibt – schwören Sie, daß er nicht über den aufgehäuften Berg meines Leids triumphiert und am Leben bleibt, um die Liste seiner bösen Verbrechen zu verlängern. Er ist beredt und überzeugend, und einmal hatten seine Worte sogar Macht über mein Herz: aber trauen Sie ihm nicht. Seine Seele ist so höllisch wie seine Gestalt, voller Verrat und teuflischer Bosheit. Hören Sie ihn nicht an. Rufen Sie Wilhelm, Justine, Clerval, Elisabeth, meinen Vater und den unglücklichen Viktor an und stoßen Sie ihm Ihren Degen ins Herz. Ich werde in der Nähe schweben und den Stahl lenken.
    WALTON schreibt weiter:

    26. August 17.
    Du hast diese sonderbare und fürchterliche Geschichte gelesen, Margaret. Spürst Du nicht, wie das Blut Dir vor Entsetzen gerinnt, wie eben jetzt das meine? Manchmal konnte er, von plötzlicher Qual gepackt, seine Erzählung nicht fortsetzen, dann wieder sprach er mit gebrochener, doch durchbohrender Stimme nur mühsam die so von Herzensnot erfüllten Worte. Seine edlen und schönen Augen blitzten manchmal vor Empörung, dann wieder waren sie in teilnahmsloser Trauer verschleiert oder matt vor unendlichem Leid. Manchmal beherrschte er seine Miene und Stimme und schilderte die grauenhaftesten Geschehnisse ganz ruhig, jedes Zeichen der Erregung unterdrückend, dann, wie ein Vulkan ausbricht, wechselte sein Gesicht unversehens zu einem Ausdruck tollster Wut, wenn er Verwünschungen gegen seinen Verfolger herausschrie.
    Sein Bericht hängt folgerichtig zusammen, und er hat ihn mit dem Anschein der schlichtesten Wahrhaftigkeit vorgetragen. Doch ich gestehe Dir, daß mich Felix’ und Safies Briefe, die er mir zeigte, und der Anblick des Ungeheuers von unserem Schiff aus stärker von der Wahrheit seiner Schilderung überzeugten als seine Behauptungen, wie

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