Frankenstein
Schatten, die mich umschweben, bei meiner tiefen und ewigen Trauer schwöre ich, auch bei dir, o Nacht, und den Geistern, die über dich herrschen: ich will den Dämon, der dieses Unglück verschuldet hat, verfolgen, bis er oder ich im tödlichen Kampf umkommen. Zu diesem Zweck will ich mein Leben erhalten: um diese teure Rache zu üben, will ich wieder die Sonne sehen und das grüne Gras der Erde beschreiten, die sonst für immer aus meinen Augen verschwinden würden. Und ich rufe euch an, ihr Geister der Toten, und euch, schweifende Diener der Rache, mir bei meinem Werk beizustehen und mich zu leiten. Laßt das verfluchte und höllische Ungeheuer tief von der Todesqual trinken, laßt ihn die Verzweiflung spüren, die jetzt mich foltert.«
Ich hatte meine Beschwörung in feierlichem Ton begonnen und mit einer frommen Scheu, die mich beinahe davon überzeugte, die Schatten meiner ermordeten Freunde hörten mein Gelöbnis und hießen es gut. Doch zum Schluß ergriffen die Furien von mir Besitz, und die Wut erstickte meine Stimme.
Durch die Stille der Nacht antwortete mir lautes Gelächter voll teuflischer Bosheit. Anhaltend und eindringlich hallte es mir in den Ohren. Die Berge warfen sein Echo zurück, und mir war, als umringte mich die ganze Hölle mit Hohngelächter. Gewiß hätte ich in diesem Augenblick in einem Anfall der Raserei mein elendes Leben weggeworfen, wäre nicht mein Schwur vernommen worden und wäre ich nicht der Rache vorbehalten gewesen. Das Lachen verhallte. Dann sprach mich eine wohlbekannte und verhaßte Stimme, offenbar dicht an meinem Ohr, mit vernehmlichem Flüstern an: »Ich bin zufrieden, erbärmlicher Wicht! Du hast beschlossen, am Leben zu bleiben, und ich bin zufrieden.«
Ich stürzte zu der Stelle, von der die Stimme kam. Doch der Teufel wich meinem Griff aus. Plötzlich stieg die breite Scheibe des Mondes auf und schien voll auf seine gräßliche, mißgebildete Gestalt, als er mit übermenschlicher Geschwindigkeit entfloh.
Ich verfolgte ihn, und seit vielen Monaten ist das meine Aufgabe. Von einer schwachen Spur geleitet, folgte ich den Windungen der Rhone, jedoch vergeblich. Das blaue Mittelmeer erschien, und infolge eines eigenartigen Zufalls sah ich den Unhold bei Nacht ein nach dem Schwarzen Meer bestimmtes Schiff entern und sich darin verstecken. Ich buchte eine Passage auf demselben Schiff, doch er entkam, ich weiß nicht, wie.
In den Einöden des Tartarenreiches und Rußlands bin ich ihm stets auf der Spur geblieben, wenn er mir auch immer wieder entwischte. Manchmal gaben mir die Bauern, von dieser gräßlichen Erscheinung verängstigt, einen Hinweis, welche Richtung er genommen hatte, manchmal, wenn er befürchtete, daß ich verzweifeln und sterben würde, wenn ich ihn ganz aus den Augen verlöre, ließ er selbst mir ein Zeichen zurück, um mich weiter voranzuführen. Der Schnee wirbelte auf mich herab, und ich sah den Abdruck seines riesigen Schrittes auf der weißen Fläche. Sie, der gerade erst ins Leben tritt, für den die Sorge etwas Neues und die Qual etwas Unbekanntes ist, wie können Sie verstehen, was ich gefühlt habe und noch fühle? Kälte, Hunger und Erschöpfung waren die geringsten Leiden, die ich zu ertragen hatte. Ein Teufel hatte mich verflucht, und ich trug meine eigene Hölle mit mir herum, und doch folgte ein guter Genius meinen Schritten und lenkte sie. Und wenn es mir besonders sauer wurde, half er mir oft plötzlich aus scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten heraus. Manchmal, wenn die Menschennatur, vom Hunger übermannt, erschöpft zusammenbrach, stand in der Einöde eine Mahlzeit für mich bereit, die mich zu Kräften brachte und wieder belebte. Die Nahrung war freilich grob, wie sie die Bauern des Landes aßen; doch ich will nicht daran zweifeln, daß die Geister, die ich beschworen hatte, mir zu helfen, sie dort hingelegt hatten. Oft, wenn alles trocken, der Himmel wolkenlos und ich vom Durst ausgedörrt war, trübte ein Wölkchen den Himmel, goß die paar Tropfen aus, die mich erquickten, und verschwand.
Wenn möglich, folgte ich den Flußläufen. Doch der Dämon mied diese meistens, weil sich gerade hier die Bevölkerung des Landes dichter zusammenzog. In anderen Gegenden traf man selten auf Menschen. Dort ernährte ich mich im allgemeinen von dem wildlebenden Getier, das mir über den Weg lief. Ich hatte Geld bei mir und gewann die Freundschaft der Dorfbewohner, indem ich welches verteilte; oder ich brachte ihnen etwas von dem Wild
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