Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)
Hand ausstreckte, um die Handbremse zu lösen, tauchte ein Fahrzeug auf der Straße auf und kam von Süden her näher. Statt an dem Rastplatz vorbeizufahren, parkte der Wagen hinter ihm und tauchte das Innere der Limousine ins Licht seiner Scheinwerfer.
Die Spiegel zeigten ihm zu wenige Einzelheiten, und daher drehte er sich auf seinem Sitz um, weil er durch die Heckscheibe sehen wollte. Erika fünf saß hinter dem Steuer des GL 550, den sie zur Farm fuhr, wie er es ihr befohlen hatte.
Als er sie anstarrte und wütend auf sie war, weil sie aussah wie die unverschämte und beleidigende Erika vier, sah Victor nichts auf dem Rücksitz, doch er hörte, dass sich dort etwas bewegte. Ihm wurde augenblicklich klar, warum er das Gefühl gehabt hatte, nicht allein zu sein: Chamäleon!
Die Pheromone der Neuen Rasse, mit denen er sich übergossen hatte, würden ihn stundenlang schützen, ausgenommen … in Momenten körperlicher Anstrengung, wenn ein dünner Schweißfilm seine Haut überzog, in Momenten der Wut oder der Furcht, wenn sein wahrer Geruch kräftiger werden würde und unter dem tarnenden Duft der Neuen Rasse zu entdecken sein könnte.
Victor riss die Fahrertür auf und stürzte aus dem Wagen in die Nacht hinaus. In den Regen . Der heftige Schauer würde den Geruch seiner eigenen Pheromone abschwächen, aber noch nachhaltiger würde er den Duft der Neuen Rasse fortschwemmen, den er nur auf seinen Anzug gesprenkelt hatte.
Er hätte die Tür zuschlagen und sie mit der Fernbedienung schließen, die Limousine stehen lassen und mit Erika zur Farm fahren sollen. Aber er wagte es nicht mehr, sich der offenen Fahrertür zu nähern, weil Chamäleon bereits auf den Vordersitz gehuscht sein könnte.
Noch schlimmer war, dass es bereits aus der Limousine gesprungen sein und ganz in seiner Nähe auf dem Pflaster
des Rastplatzes lauern könnte. Der endlose Tanz der Regentropfen auf dem Straßenbelag würde das verräterische Kräuseln, das entstand, wenn Chamäleon sich in Bewegung setzte, restlos verbergen.
Unerklärlicherweise schien Erika schon einen Moment, bevor er aus dem S 600 geflohen war, aus dem GL ausgestiegen zu sein. Sie stand neben ihm, ahnte, dass etwas nicht stimmte, und sagte: »Victor? Was ist los?«
Bleib unten , hatte Erika zu Jocko gesagt.
Sie hatte es mahnend gesagt wie eine Mutter. Sie würde eine gute Mutter sein. Aber sie war nicht Jockos Mutter. Die gab es nicht.
Jocko hob den Kopf. Sah Erika und Victor gemeinsam dastehen. Augenblicklich vom Regen durchnässt.
Noch interessanter war das Insekt. Das größte Insekt, das Jocko jemals gesehen hatte. Halb so groß wie Jocko.
Dieses Insekt sah nicht schmackhaft aus. Es sah so aus, als schmeckte es bitter.
In der Kanalisation waren Insekten Jocko nahe gekommen. Sie waren leicht zu fangen gewesen. Insekten wussten nicht, dass seine großen gelben Augen sie im Dunkeln sehen konnten.
Mit diesem Insekt stimmte etwas nicht. Abgesehen davon, dass es so groß war.
Plötzlich wusste Jocko, woran er war. Wie es sich anschlich. Wie es sich aufzubäumen begann. Dieses Insekt würde töten.
Kissenbezug. Auf dem Boden. Vor seinem Sitz. Den Knoten im Schnürsenkel lösen. Darin – Seife, Seite, Seife. Das Messer.
Rasch, rasch, rasch, Jocko im Regen. Mit Luftsprüngen zu Erika und Victor hin. Dreh jetzt bloß keine Pirouette.
66.
Das Insekt wollte nicht sterben.
Jocko auch nicht. Alles lief so gut. Seife. Seine erste Fahrt in einem Auto. Jemand, der mit ihm sprach. Seine erste Hose. Seit Stunden hatte ihn niemand geschlagen. Bald ein lustiger Hut. Also taucht natürlich ein gigantisches Killerinsekt auf. So ein Pech. Typisch Jocko.
Zwei Reißscheren. Eine Brechschere. Sechs Kneifer. Stachel. Gattersäge anstelle einer Zunge, Zähne. Zähne hinter der vordersten Zahnreihe. Alles außer einem Loch, das Flammen spuckt. Oh doch, da war es ja. Ein Insekt, das dazu geschaffen war, böse zu sein.
Jocko ließ sich mit beiden Knien darauf fallen. Stach zu, schlitzte auf, riss auseinander, zerriss gewaltsam. Hob das Insekt auf, knallte es hin. Knallte es noch einmal fest auf den Boden. Knallte es wieder hin. Weitere Messerstiche. Grimmig. Erbarmungslos. Jocko machte sich selbst Angst.
Das Insekt krümmte sich. Versuchte sich ihm zu entwinden. Aber es wehrte sich nicht, und es starb.
Verblüfft über die Friedlichkeit des Insekts zog sich Jocko auf die Füße. Vielleicht hatte Jockos Anblick das Insekt vor Entsetzen gelähmt. Jocko stand im strömenden Regen.
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