Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)

Telefonanschlusses.
    Die Anruferkennung meldete UNBEKANNT.
    Dennoch riss er das schnurlose Gerät von der Ladestation. »Ja?«
    Eine Frau sagte: »Hallo, Liebling.«
    »Erika?«
    »Ich hatte gefürchtet, du könntest mich vergessen haben«, sagte sie.
    Da ihm wieder einfiel, wie er sie beim Abendessen im Salon vorgefunden hatte, beschloss er, noch eine Weile der strenge Zuchtmeister zu bleiben. »Du weißt, dass du mich hier nicht belästigen solltest, außer in einem Notfall.«
    »Ich würde es dir nicht vorwerfen, wenn du mich vergessen hättest. Es ist mehr als einen Tag her, dass du Sex mit mir hattest. Für dich bin ich Schnee von gestern.«
    Ihr Tonfall hatte einen leicht, aber unverkennbar sarkastischen
Unterton, der dazu führte, dass er sich aufrechter im Whirlpool hinsetzte. »Wie kommst du dazu, so etwas zu sagen, Erika?«
    »Ich bin nie geliebt worden, nur benutzt. Es schmeichelt mir, dass ich dir noch in Erinnerung bin.«
    Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. »Wo bist du, Erika? Wo im Haus bist du?«
    »Ich bin nicht im Haus, Liebling. Wie könnte ich dort sein?«
    Er würde sich ins Unrecht setzen, wenn er weiterhin auf ihre Plauderei einging, was auch immer sie damit bezweckte. Er durfte sie nicht zu einem Benehmen anspornen, das rebellisch zu sein schien. Victor antwortete ihr mit Schweigen.
    »Mein liebster Meister, wie könnte ich im Hause sein, nachdem du mich fortgeschickt hast?«
    Er hatte sie nicht fortgeschickt. Er hatte sie grün und blau geschlagen und sie blutend im Salon zurückgelassen, nicht am Vortag, sondern erst vor wenigen Stunden.
    Sie sagte: »Wie ist die Neue? Ist sie so schlüpfrig, wie ich es war? Wenn sie brutal behandelt wird, weint sie dann so jämmerlich, wie ich es getan habe?«
    Victor begann die Natur des Spiels zu erkennen und war schockiert über ihre Unverschämtheit.
    »Mein Liebling, mein Schöpfer, nachdem du mich getötet hattest, hast du mich von deinen Leuten bei der städtischen Müllabfuhr zu einer Mülldeponie im Nordosten von Lake Pontchartrain bringen lassen. Du fragst mich, wo im Haus ich bin, aber ich bin nirgendwo im Haus – doch ich hoffe, dorthin zurückzukehren.«
    Da sie es mittlerweile zu weit getrieben hatte und diese schwachsinnige Farce indiskutable Formen annahm, war Schweigen keine angemessene Reaktion mehr.
    »Du bist Erika fünf«, sagte er kühl, »nicht Erika vier. Und mit dieser absurden Verkörperung deiner Vorgängerin hast du nichts weiter erreicht als sicherzustellen, dass Erika sechs deinen Platz bald einnehmen wird.«
    »Aus so vielen Nächten der Leidenschaft«, sagte sie, »ist mir der harte Aufprall deiner Fäuste in Erinnerung, die Schärfe deiner Zähne, die in mich gebissen haben, und wie ich in deinen Mund geblutet habe.«
    »Komm augenblicklich zu mir«, sagte er, denn er musste sie binnen einer Stunde ausschalten.
    »Oh, Liebling, ich wäre sofort da, wenn es sich machen ließe, aber von der Mülldeponie zum Garden District ist es ein weiter Weg.«

23.
    Als sie die Stelle erreichten, wo die Zufahrt in die breite Straße durch den Audubon Park mündete, zog Michael die illegal erworbene Desert Eagle .50 Magnum aus dem Halfter an seiner linken Hüfte.
    Carson sagte: »Wenn sie uns Ärger machen …«
    »Darauf würde ich beide Nieren wetten.«
    »… dann glaube ich, die Urban Sniper ist vernünftiger«, beendete sie ihren Satz und bog nach rechts auf den West Drive ein.
    Die Scheinwerfer glitten über die bleichen Gestalten von Mr und Mrs Guitreau auf ihrem Spaziergang mit Hund in dieser regnerischen Nacht, splitternackt und mit Höchstgeschwindigkeit.
    Michael sagte: »Wenn wir aus dem Wagen steigen müssen,
wird es mit Sicherheit die Sniper werden, aber nicht, wenn ich im Sitzen schießen muss.«
    Erst vor wenigen Stunden hatten sie den psychischen und intellektuellen Zusammenbruch von Pastor Kenny Laffite miterlebt, einem Angehörigen der Neuen Rasse. Und nicht lange danach waren sie gezwungen gewesen, sich mit einem anderen von Victors Geschöpfen abzugeben, das sich Randal nannte und so schaurig verrücktes Zeug faselte wie Charles Manson, der in einer Séance Jeffrey Dahmer zu sich ruft. Randal wollte Carsons Bruder Arnie töten und hatte drei Schüsse aus nächster Nähe aus einer Urban Sniper weggesteckt, bevor er zu Boden gegangen und liegen geblieben war.
    Und jetzt diese Schauergeschichte.
    »Verdammt nochmal«, sagte Carson. »Ich werde nie dazu kommen, diesen Okraschoteneintopf aufzuessen.«
    »Ich fand ihn