Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)
erreichen, musste Jocko an Erika vorbeirennen. Das würde peinlich werden.
Sie würde ihn sehen. Sie würde wissen, dass er sein Versprechen gebrochen hatte. Mehr als nur ein Versprechen. Sie würde wissen, dass er log. Sie würde enttäuscht von ihm sein.
Und sie könnte Seife in seinem Atem riechen.
Erika ging zur Treppe. Sah Victor nach, der hinunterstieg.
Vielleicht sah sie Jocko. Aus dem Augenwinkel. Sie begann sich umzudrehen. Sich zu Jocko umzudrehen.
Jocko zog den Kopf ein. Wich von der Ecke zurück.
Hoppel-hoppel-hop. Hoppel-hoppel-hop. Durch den Südflur nach Westen. Wieder die Treppe hinunter.
Zurück in die Küche. Äpfel auf dem Boden. Orangen würden noch runder sein. Jocko musste um Orangen bitten. Und um eine Schere, damit er die Haare auf seiner Zunge stutzen konnte.
Jocko hüpfte aus der Küche hinaus, durch einen Servierraum und quer durch ein behagliches kleines Esszimmer.
Dahinter lag ein großes Esszimmer für offizielle Anlässe. Jocko sah es nicht allzu deutlich, denn er musste, musste, musste Pirouetten drehen .
Ein Raum nach dem anderen, kleine Verbindungsgänge, so viel Haus. Auf den Händen laufend, das Messer mit einem Fuß gepackt. Rad schlagend, Rad schlagend, das Messer zwischen den Zähnen.
Nordflur. Hintertreppe. Erster Stock. Seine Suite.
Jocko versteckte das Messer in seinem Bettzeug. Er tollte ins Wohnzimmer zurück. Setzte sich vor dem Kamin auf den Fußboden. Genoss den Kamin ohne Feuer.
Sie würde sagen: Ich dachte, ich hätte dich im Flur gesehen.
Er würde sagen: Nein, nicht Jocko, nicht Jocko. Nein, nein, nein. Nicht ich, der bin, aus ihm, der war, Monster, von einem Monster stammend, nein, nicht Jocko, nicht im Flur und nicht Seife gegessen.
Vielleicht würde er aber auch nur sagen: Nein .
Jocko würde improvisieren. Sehen, was zu dem Zeitpunkt richtig zu sein schien.
Nachdem er eine halbe Minute lang in kein Feuer geschaut hatte, begriff Jocko, dass er vergessen hatte, Victor zu töten.
Jocko hakte seine Finger in die Nasenlöcher und zog sie zur Stirn hoch, bis ihm die Augen tränten. Er hatte Schlimmeres verdient.
40.
Infolge des Versagens der Kompressormotoren des Gefrierschranks beginnt sich die salzhaltige Lösung in dem transparenten Sack aufzuwärmen.
Sobald der emsige Besucher des Labors das Becken geworfen hat, das die Glastür zerschlägt, beschleunigt sich das Tempo der Erwärmung.
Die erste Besserung seines Zustands betrifft Chamäleons Sehvermögen. In der kalten Umgebung sieht es nur Blautöne. Jetzt beginnt es andere Farben wahrzunehmen, anfangs nur allmählich, dann rascher.
Chamäleon treibt schon so lange in dem Sack, und die bittere Kälte der Flüssigkeit, in die es eingetaucht ist, hat seine Beweglichkeit eingeschränkt. Jetzt ist es in der Lage, seinen Unterleib und seinen Brustkorb zu strecken. Sein Kopf lässt sich leichter drehen.
Plötzlich schlägt es um sich, schlägt noch einmal um sich, ein gewaltiger Aufruhr, der bewirkt, dass der hängende Sack von einer Seite zur anderen schwingt und gegen die Wände des unbrauchbar gewordenen Gefrierschranks knallt.
In der Kältekonservierung hat Chamäleons Stoffwechsel einen so geringen Grundumsatz, dass er fast nicht wahrnehmbar
ist. Als sich die Flüssigkeit in dem Sack aufwärmt, beschleunigen sich die katabolischen Prozesse.
Durch die Energie, die der Katabolismus liefert, beginnen sich auch die anabolischen Prozesse zu beschleunigen. Chamäleon gewinnt seine volle Funktionsfähigkeit zurück.
Wenn es um sich schlägt, bedeutet das, es braucht dringend Luft. Die mit Sauerstoff angereicherte Lösung in dem Sack kann Chamäleon unter dem Gefrierpunkt am Leben erhalten, ist aber unzureichend, wenn der Stoffwechsel vollständig funktionsfähig ist.
Panik vor dem Ersticken bringt Chamäleon dazu, um sich zu schlagen.
Obwohl das polymere Gewebe des Sacks so widerstandsfähig ist wie kugelsicheres Kevlar, zerreißen es Chamäleons Kampfkrallen.
Fünfzig Liter einer chemisch veränderten salzhaltigen Lösung schwappen aus dem Sack und reißen Chamäleon in den Gefrierschrank, durch die fehlende Tür und auf den Boden des Laboratoriums.
Luft strömt in seine Stigmen und durch die Röhren seines Trachealsystems, die sich in seinem Körperverzweigen. Während es trocknet, kehrt Chamäleons Geruchssinn zurück.
Es kann nur zwischen zwei Gerüchen unterscheiden: dem eines speziell für sie entworfenen Pheromons, mit dem alle Angehörigen der Neuen Rasse versehen sind, und dem
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