Frankenstein oder Der moderne Prometheus
weißt? Ich gehöre nicht zu deinen Feinden; ich
hielt dich so lange für schuldlos, bis ich hörte, daß du gestanden
habest. Du sagst, dass dies nicht wahr ist. Sei überzeugt, daß
nichts imstande ist, mein Vertrauen in dich zu erschüttern, als ein
Bekenntnis deiner Schuld aus deinem eigenen Munde.«
»Ich habe gestanden, aber was ich gestand, war eine Lüge. Ich
gestand nur, um Absolution zu erlangen, und nun liegt mir diese
Unwahrheit noch schwerer auf dem Herzen als alle meine anderen
Sünden zusammen. Gott im Himmel sei mir gnädig! Aber seit ich
verhaftet wurde, ließ mein Beichtvater nicht mehr von mir ab; er
schalt und drohte mir, bis ich schließlich selbst daran glaubte,
daß ich das Ungeheuer war, zu dem er mich machte. Mit
Exkommunitation und Schilderung aller Höllenstrafen suchte er mich
weich zu machen. Liebste Freundin, ich hatte niemand, der mich
gestützt hätte; jeder blickte auf mich wie auf eine
Verdammte, deren Los Schmach und Tod war.
Was konnte ich tun? In einer schwachen Stunde unterschrieb ich mein
erlogenes Geständnis, und nun bin ich erst ganz elend
geworden.«
Der Schmerz übermannte sie; nach einer Weile aber fuhr sie
gefaßter wieder fort: »Das Schlimmste war mir, denken zu müssen,
daß du, liebe Freundin, mich, die du doch so geliebt, für eine
Kreatur halten mußtest, fähig eines Verbrechens, wie es sich nur
ein Teufel ersinnen kann. Lieber kleiner, armer Wilhelm! Bald werde
ich bei dir im Himmel sein, das macht mir mein schmachvolles Ende
leichter.«
»Justine verzeihe mir, daß ich dir auch nur einen Augenblick
mißtrauen konnte. Aber warum hast du auch das Geständnis abgelegt?
Doch sei ruhig, fürchte dich nicht! Ich will es in die Welt
hinausrufen, daß du frei von Schuld bist. Ich will die steinernen
Herzen deiner Peiniger mit Tränen und Bitten erweichen. Du darfst
mir nicht sterben! Du, meine Spielgenossin, meine Freundin, meine
Schwester, solltest das Schaffot besteigen müssen! Nein, nein, das
könnte ich nicht überleben!«
Justine schüttelte traurig den Kopf. »Ich fürchte den Tod
nicht,« sagte sie, »er hat keinen Stachel mehr für mich. Gott wird
mir Kraft geben, dieses Schwere zu tragen. Ich scheide aus einer
bösen, traurigen Welt, und wenn Ihr meiner in Liebe gedenkt und mir
als einer ungerecht Verurteilten euer Mitleid schenkt, dann bin ich
für das Schicksal entschädigt, das meiner wartet. Ich habe gelernt,
mich ohne Widerstreben in den Willen des Höchsten zu fügen.«
Während dieser Aussprache hatte ich mich in einen Winkel der
Zelle zurückgezogen und versuchte der entsetzlichen Stimmung Herr
zu werden, die sich meiner bemächtigt hatte. Verzweiflung! War es
nur Verzweiflung? Das arme Opfer, das morgen die dunkle Schwelle
zwischen Leben und Tod überschreiten mußte, empfand vielleicht kein
so tiefes, bitteres Weh wie ich. Ich biß die Zähne aufeinander, um
das Schluchzen zu unterdrücken, das sich aus der Tiefe meines
Herzens emporzudrängen suchte. Justine kam auf mich zu und sagte:
»Lieber Herr, ich danke Ihnen, daß Sie mich
noch besucht haben. Ich hoffe, daß auch Sie von meiner Unschuld
überzeugt sind.«
Ich vermochte nichts zu erwidern. »Er glaubt an dich fester,«
sagte Elisabeth, »als ich es tat. Denn selbst als er von deinem
Geständnis gehört hatte, verteidigte er deine Unschuld.«
»Ich danke Ihnen von Herzen. Gerade in diesen letzten
Augenblicken tut es mir besonders wohl, wenn jemand in Güte meiner
gedenkt. Daß man mir, der Verdammten, noch Liebe entgegenbringt,
das macht mir das Sterben leichter.«
So versuchte die arme Dulderin uns und sich selbst zu trösten.
Und sie ergab sich in ihr Schicksal. Aber ich, der eigentliche
Mörder, fühlte den nagenden Wurm in meiner Brust und wußte, daß ich
nimmer froh werden konnte. Elisabeth weinte, aber ihr Leid glich
mehr einer Wolke, die das Glück wohl eine Zeit lang verhüllen, aber
es nicht ganz vernichten kann. Reue und Verzweiflung hatten sich
meiner bemächtigt, eine ganze Hölle brannte in mir. Wir blieben
noch einige Stunden bei Justine und nur mit großer Mühe vermochte
ich Elisabeth wegzubringen. »Könnte ich nur mit dir sterben,« rief
sie, »ich kann in dieser schrecklichen Welt nicht mehr leben!«
Justine trug große Ruhe zur Schau, obgleich sie kaum ihres
Schmerzes Herr zu werden imstande war. Sie umschlang Elisabeth und
sagte mit halberloschener Stimme: »Leb wohl, liebe, teure
Elisabeth, meine geliebte Freundin! Gott segne und schütze dich in
seiner großen
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