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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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des
Jünglings noch viel trauriger war als bisher. Er seufzte oft, so
daß der Greis einmal sein Spiel unterbrach und ihn zu
trösten versuchte. Felix antwortete
liebevoll und der Alte begann wieder mit seiner Musik, als es
plötzlich an der Tür pochte.
    Es war eine Dame zu Pferde, die einen Bauern als Führer bei sich
hatte. Sie war schwarz gekleidet und ein schwarzer Schleier
bedeckte ihr Gesicht. Agathe fragte sie um ihr Begehr, worauf die
Fremde mit lieblicher Stimme nur den Namen Felix aussprach.
Daraufhin kam Felix herbeigeeilt. Die Dame schlug ihren Schleier
zurück, so daß mir ein Antlitz von wunderbarer Schönheit
entgegenstrahlte. Ihr Haar war tiefschwarz, glänzend und eigenartig
geflochten; ihre dunklen, prächtigen Augen leuchteten; ihre Züge
waren regelmäßig und ihr Gesicht von frischer Farbe.
    Felix schien vor Glück förmlich aufzublühen, als er sie
erblickte. Sein Antlitz leuchtete in schwärmerischer Freude, der
ich ihn nie für fähig gehalten hätte. Seine Augen glänzten und eine
heiße Röte färbte seine Wangen. In diesem Augenblick erschien er
mir so schön wie die Fremde. Auch sie war ergriffen; aus ihren
Augen stürzten Tränen, während sie ihm die Hand hinhielt, die er
leidenschaftlich küßte. Und ich vernahm, wie er sie sein liebes
Weib nannte. Sie schien den Inhalt seiner Worte nicht zu verstehen,
aber sie lächelte. Er hob sie vom Pferde, entließ den Führer und
geleitete sie ins Haus. Zuerst entwickelte sich ein Gespräch
zwischen ihm und seinem Vater, dann warf sich das schöne Weib vor
dem Greise nieder, um seine Hände zu küssen. Er aber hob sie auf
und schloß sie liebevoll in die Arme.
    Bald bemerkte ich, daß die Fremde, wenn Sie auch artikulierte
Laute hervorbrachte, doch eine eigene Sprache zu haben schien und
deshalb weder selbst verstanden wurde, noch auch die Anderen
verstand. Sie halfen sich mit verschiedenen Zeichen, deren
Bedeutung ich aber nicht begriff. Jedenfalls verbreitete ihre
Anwesenheit Glück und Freude in der kleinen Wohnung, und die
Traurigkeit war geschwunden wie Morgennebel vor dem Glanz der
Sonne. Besonders glücklich war Felix und lächelte immer der Fremden
zu. Agathe küßte die Hände der Frau und machte Zeichen gegen ihren
Bruder hin, aus denen ich entnahm, daß er es sei, dem ihre Ankunft die innigste Freude bereite. So
vergingen mehrere Stunden freudiger Erregung, deren Ursache ich ja
allerdings vorerst nicht zu ergründen vermochte. Später erkannte
ich an der öfteren Wiederholung von Worten, die die Fremde dann
nachsprach, daß diese sich bemühte, die Sprache meiner Freunde
kennen zu lernen. Da kam mir die Idee, daß ich aus diesen Lektionen
auch Nutzen zu ziehen imstande wäre. Es waren nur zwanzig Worte,
die die Fremde in dieser ersten Lektion erlernte, von denen ich die
meisten schon kannte; aber es waren auch etliche dabei, die mir neu
waren.
    Als es Nacht wurde, zogen sich Agathe und die Fremde zeitig
zurück. Als sie sich verabschiedeten, küßte Felix die Hand der
Fremden und sagte: Schlaf wohl, liebe Safie. Er saß dann noch
längere Zeit mit seinem Vater zusammen, und daraus, daß der Name
der Fremden sich in ihrem Gespräch oft wiederholte, schloß ich, daß
sie der Gegenstand desselben war. Ich bemühte mich sehr, sie zu
verstehen, aber es war mir nicht möglich.
    Am nächsten Morgen begab sich Felix wieder an die gewohnte
Arbeit und die Fremde ließ sich, während Agathe die Wohnung in
Ordnung brachte, zu Füßen des alten Mannes nieder. Dieser nahm
seine Zither und spielte einige Lieder so schön, daß mir die Tränen
des Mitleids und des Entzückens aus den Augen flössen. Dann sang
die Fremde. Ihre Stimme ertönte in reicher Fülle und so lieblich,
daß ich meinte, die Nachtigall des Waldes singen zu hören.
    Nachdem sie geendet, gab sie Agathe die Zither. Diese lehnte
zuerst ab, dann aber spielte sie ein einfaches Lied und sang dazu.
Aber wenn auch ihre Stimme lieblich klang, so war sie doch mit der
der Fremden nicht zu vergleichen. Der alte Mann schien entzückt und
sagte einige Worte, die Agathe der Fremden zu erklären
versuchte.
    Die Tage flossen so ruhig und friedlich dahin wie bisher, nur
mit dem Unterschied, daß meine Freunde jetzt keine traurigen
Gesichter mehr hatten. Safie war immer lustig und guter Dinge. Sie
und ich drangen rasch in die Geheimnisse der Sprache ein,
so daß ich nach zwei weiteren Monaten fast
alles verstand, was gesprochen wurde.
    Auf den Feldrainen blühten ungezählte Blumen und auf

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