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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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ihn gefunden; aber ich fürchte,
ich habe ihn nur gefunden, um seinen Wert zu erkennen und ihn dann
zu verlieren. Ich habe alles versucht, um ihn das Leben wieder
lieben zu lehren, aber er will nichts davon wissen.
    »Ich danke Ihnen, Walton,« sagte er, » für
Ihre freundlichen Bemühungen um mich Armen. Aber glauben Sie nicht,
daß mir neue Bande und neue Liebe das zu ersetzen vermöchten, was
ich verloren. Kann mir ein Mann je noch das sein, was mir Clerval,
oder dein Weib das, was mir Elisabeth war? An den Genossen unserer
Jugend hängen wir so fest, daß die Neigungen späterer Jahre sie
nicht aus unseren Herzen zu verdrängen vermögen. Und ich habe
Freunde gehabt, die mir nicht nur durch Gewohnheit lieb geworden
waren, sondern um ihrer selbst willen. Wo immer ich weile, flüstern
mir die Stimmen Elisabeths und Clervals an das Ohr. Sie sind tot,
und nur eines ist es, was mich in dieser Öde noch an das Leben
kettet. Hätte ich noch ein Ziel, das, hoch und erhaben, der
Menschheit von Nutzen sein könnte, dann, ja dann könnte ich mich
entschließen weiter zu leben. Aber das ist mir nicht beschieden!
Ich habe nichts mehr weiter zu tun, als das Ungeheuer, das ich
schuf, zu verfolgen und zu vernichten. Dann ist mein Erdenzweck
erfüllt und ich kann mich schlafen legen.«

2. September
17..
Liebste Schwester!
    Heute schreibe ich Dir, umgeben von den schlimmsten Gefahren,
und weiß nicht, ob ich je wieder mein geliebtes England und die
teuren Menschen, die mir dort noch leben, erblicken werde. Ringsum
türmen sich Eisberge von ungeheurer Höhe, die ein Entkommen ganz
unmöglich erscheinen lassen und jeden Augenblick mein Schiff
zermalmen drohen. Die braven Burschen, die ich überredet habe, an
meinem Unternehmen sich zu beteiligen, schauen stumm und
hülfesuchend auf mich. Aber ich kann ihnen keinen Trost gewähren!
Es ist ein furchtbar niederdrückendes Gefühl, aber mein Mut und
meine Hoffnung sind noch ungebrochen. Es tut mir in der Seele weh,
zu wissen, daß ich, wenn wir zu Grunde gehen müssen, mit meinen
ehrgeizigen Plänen allein die Schuld trage.
    Und wie wird Dir zu Mute sein, Margarethe? Du wirst
von meinem Untergange ja nichts erfahren
und sehnsüchtig meiner Rückkehr harren. Jahre werden dann vergehen,
in denen Du zwischen Hoffen und Verzweifeln schwankst. O liebe
Schwester, Dein Leid betrübt mich mehr als mein eigenes Ende. Aber
Du hast ja Deinen Mann und Deine lieben Kinder, mit denen Du
glücklich sein kannst. Der Himmel segne Dich und sie alle.
    Mein unglücklicher Gast fühlt tiefes Mitleid mit mir. Er
versucht mich aufzumuntern und spricht, als habe das Leben auch für
ihn noch Wert. Er erinnert mich oft daran, wie das Gleiche auch
schon anderen Seefahrern vor mir geschehen sei, die in diese
ungastlichen Meere kamen, und erweckt in mir Hoffnungen, von denen
ich sicher weiß, daß sie trügerisch sind. Auch die Mannschaft
unterliegt der Macht seiner Beredsamkeit, ihre Zaghaftigkeit weicht
frischer Energie, und er redet ihnen ein, diese Eisberge seien
Maulwurfhaufen, die vor der Macht des Menschen in nichts zerfallen.
Aber lange hält die gute Stimmung nicht an. Jeder Tag vergeblicher
Bemühungen wirkt deprimierend auf ihre Gemüter ein und ich habe
mich schon auf eine Meuterei gefaßt gemacht, wenn das noch lange so
weiter geht.

5. September
17..
    Eben hat sich etwas ereignet, das ich für Dich niederschreiben
muß, wenn ich auch nicht hoffen darf, daß dich diese Zeilen je
erreichen.
    Wir sitzen immer noch fest mitten in den Eisbergen und müssen
immer damit rechnen, von ihnen zermalmt zu werden. Die Kälte ist
furchtbar, und mancher meiner treuen Genossen hat schon sein Grab
unter diesem düsteren Himmel gefunden. Frankenstein wird von Tag zu
Tag elender. Fieberglut leuchtet aus seinen Augen. Er ist völlig
erschöpft, und wenn er sich auch zuweilen aufrafft, so versinkt er
wenige Augenblicke danach wieder in Apathie.
    Ich habe schon früher meinen Befürchtungen, es könnte eine
Meuterei ausbrechen, Ausdruck gegeben. Heute morgen, als ich am
Bett meines armen Freundes saß, der mit halb
geschlossenen Augen und schlaffen Gliedern
dalag, hörte ich draußen Lärm und Stimmengewirr. Es war ein halbes
Dutzend meiner Matrosen, die mich zu sprechen verlangten. Sie
traten ein und einer von ihnen ergriff das Wort. Er sagte mir, daß
er und die, die mit ihm gekommen waren, von den übrigen Matrosen
als Deputation zu mir geschickt worden seien, um eine Bitte
vorzutragen, die ich gerechterweise nicht

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