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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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Heimkehr nichts mehr im Wege stünde, machte
sich ihre Freude in einem lauten, langgezogenen Geschrei Luft.
Frankenstein, der geschlummert hatte, erwachte und frug mich nach
der Ursache dieses Lärmes. »Sie jubeln,« antwortete ich, »weil sie
nun bald wieder in England sein werden.«
    »Kehren Sie also wirklich zurück?«
    »Leider muß ich es. Ich konnte ihren Bitten nicht mehr
widerstehen. Ich darf sie nicht gegen ihren Willen weiteren
Gefahren und Mühsalen aussetzen.«
    »Nun also, wenn Sie nicht anders wollen! Aber ich will nicht!
Sie können Ihre Pläne aufgeben, aber die meinigen sind mir vom
Himmel vorgezeichnet. Ich bin ganz schwach und elend, aber die
Geister der Rache werden mir wieder Kraft verleihen.« Kaum hatte er
das gesagt, bemühte er sich, das Bett zu verlassen. Jedoch sein
Körper versagte und er brach ohnmächtig zusammen.
    Es dauerte sehr lange, bis ich ihn wieder zum Leben zurückrufen
konnte; manchmal meinte ich, es sei ohnehin schon zu Ende.
Schließlich öffnete er seine Augen, atmete schwer und versuchte zu
sprechen. Der Arzt gab ihm ein anregendes Medikament und ordnete an, daß der Kranke nicht gestört werden
dürfe. Mir sagte er leise, daß dieses schwache Lebenslichtlein nur
noch wenige Stunden zu flackern haben werde.
    Als ich das wußte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich in
Trauer zu fügen. Ich setzte mich ans Bett und wachte über dem
erlöschenden Leben. Die Augen des Kranken waren geschlossen und ich
meinte, er schliefe; aber plötzlich bat er mich mit ganz schwacher
Stimme, mich näher zu ihm niederzubeugen und begann: »Leider ist
die Kraft, auf die ich mich verließ, nicht über mich gekommen. Ich
fühle, daß ich bald sterben muß, und er, mein Peiniger, mein Feind,
weilt noch auf Erden. Glauben Sie nicht, Walton, daß ich jetzt, in
den letzten Stunden meines Daseins, noch diesen glühenden Haß,
diese brennende Rachsucht empfinde, die mich bis vor kurzem
beseelten. Aber ich weiß, daß ich erst gerächt bin, wenn mein Feind
auch tot ist. Diese paar Tage habe ich mein ganzes Verhalten noch
einmal geprüft und finde nichts Tadelnswertes daran. In einem
Rausch wissenschaftlichen Wahnsinns schuf ich ein wirkliches Wesen,
und meine Pflicht wäre es gewesen, ihm so viel Glück zukommen zu
lassen, als in meinen Kräften stand. Das
war 
eine
 Pflicht; aber eine andere stand
diametral gegenüber. Die Pflicht meinen Mitmenschen gegenüber. Von
diesem Standpunkt aus habe ich mich geweigert, zu meinem ersten
Geschöpf noch ein zweites zu schaffen, und ich tat wohl daran. Denn
mein Feind war von ausgesuchter Tücke und Bosheit; er vernichtete
alle meine Lieben; er hatte es sich vorgenommen, alle die Wesen zu
töten, die mir nahestanden. Und es ist gar nicht abzusehen, wann
seine Rache endlich gestillt sein wird. Er selbst war elend, und
damit er andere nicht auch elend machen konnte, sollte er sterben.
Ihn zu vernichten, war meine Aufgabe, aber ich bin ihr nicht
gerecht geworden. Wenn ich allein von Egoismus und Rachsucht
geleitet würde, müßte ich Sie anflehen, mein begonnenes Werk zu
Ende zu führen; und nun, da mich nur die Vernunft und das
Pflichtbewußtsein regieren, muß ich die gleiche Bitte an Sie
stellen.«
    »Ich kann ja nicht fordern, daß Sie, um meinen Wunsch zu
erfüllen, Heimat und Freunde im Stiche
lassen, und da Sie nach England zurückkehren, besteht wenig
Aussicht, daß Sie zufällig mit ihm zusammentreffen. Die Erwägungen
darüber und die Beurteilung dessen, was Sie für Ihre Pflicht
ansehen, muß ich Ihnen selbst überlassen. Mein Urteil und meine
Ansichten sind schon von der Nähe des Todes beeinflußt. Ich darf
Ihnen nicht sagen, was ich für das Richtige halte, denn meine Sinne
sind vielleicht schon verwirrt.«
    »Der Gedanke quält mich, daß er am Leben bleiben soll und
allerlei Übeltaten begehen kann. Im übrigen ist dieser Augenblick,
da ich meine Auflösung kommen fühle, der schönste, den ich seit
Jahren erlebe. Die Gestalten meiner Lieben stehen vor mir und ich
beeile mich, in ihre Arme zu fliegen. Leben Sie wohl, Walton!
Suchen Sie Ihr Glück in der Ruhe und lassen Sie sich nicht vom
Ehrgeiz hinreißen; sei es auch nur der harmlose Ehrgeiz, mehr zu
wissen und mehr entdeckt zu haben als andere. Aber wie komme ich
dazu Sie zu warnen? Ich selbst bin an diesen Hoffnungen zu Grunde
gegangen, mögen andere folgen.«
    Seine Stimme war immer leiser und schwächer geworden;
schließlich versank er erschöpft in Schweigen. Eine halbe

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