Frankenstein oder Der moderne Prometheus
wäre mein Durst gestillt! Ich
hatte alles Mitleid vergessen, ich unterdrückte meine Angst, um
ganz in der Grausamkeit meiner Verzweiflung schwelgen zu können.
Und von da an machte mir das Grausame Freude. Nachdem ich einmal so
weit war, gab ich mich willenlos der Leidenschaft hin. Die
Erfüllung meiner teuflischen Bestimmung ward mir eine Genugtuung.
Und nun ist es zu Ende; hier liegt mein letztes Opfer.«
Zuerst rührten mich diese Ausbrüche seiner Reue, diese
Schilderungen seines Elends; aber dann erinnerte ich mich dessen,
was Frankenstein von der Beredsamkeit und dem bestechenden
Wesen des Dämons mir gesagt hatte. Und als
meine Blicke auf die irdischen Reste meines Freundes fielen,
ergriff mich Groll und Haß. »Verfluchter,« sagte ich, »nun kommt
Ihr und klagt über das Unheil, das Ihr angerichtet. Ihr habt eine
brennende Fackel in das Haus geworfen, und nun sitzt Ihr auf den
Trümmern und weint über die Zerstörung. Heuchlerischer Teufel! Wenn
dieser hier wieder aufstünde, so würde er von neuem das Ziel eurer
grausamen Rachsucht sein. Es ist nicht Mitleid, was Ihr fühlt; Ihr
jammert nur darüber, daß euch euer Opfer aus den Krallen geglitten
ist.«
»Nein, nein – so ist es nicht, wenn auch der Augenschein gegen
mich spricht. Ich erhoffe mir jetzt keine Genossin mehr in meinem
Elend, und Liebe wird mir nimmermehr zuteil werden. Ja, als ich
noch gut war, sehnte ich mich danach, dadurch glücklich zu werden,
daß ich selber glücklich machte. Aber mit der Güte ist es vorbei
und die Hoffnung auf Glück hat sich in bittere Verzweiflung
gewandelt, in der ich keines Mitgefühls mehr bedarf. Ich bin
zufrieden, wenn ich mein Leid allein tragen kann; lange wird es ja
ohnehin nicht mehr dauern. Einst schwoll mein Herz in stolzen
Hoffnungen von Ruhm, Ehre und Freude. Ich war so töricht zu
glauben, daß ich Wesen finden könnte, die, über meine äußerliche
Häßlichkeit hinwegsehend, das Gute lieben würden, das ohne Zweifel
in mir wohnte. Aus den lichten Höhen ward ich herabgestützt und das
Verbrechen hat mich zum Tier gemacht. Keine Schuld, keine Missetat,
keine Bosheit, keine Schlechtigkeit, die ich mir nicht zu eigen
gemacht hätte. Wenn ich das gräßliche Register meiner Verbrechen im
Geiste aufrolle, kann ich mich selbst nicht mehr erkennen. Aber es
ist eben so: gefallene Engel werden zu Teufeln. Nur hat der
Erzfeind Gottes und der Menschen Genossen seiner Schmach – und ich
bin allein.«
»Sie, der Sie Frankenstein Ihren Freund nannten, scheinen über
sein Unglück und meine Übeltaten unterrichtet zu sein. Aber mochte
er Ihnen alles noch so eingehend erzählen, über die qualerfüllten
Stunden, Tage und Monate, die ich durchlebenmußte, gab er Ihnen wahrscheinlich ebensowenig
Rechenschaft, wie sich selbst. Denn während ich sein Glück, seine
Hoffnungen eine nach der anderen vernichtete, blieben meine eigenen
Wünsche unbefriedigt. Sie brannten noch lichterloh in mir; immer
noch sehnte ich mich nach einer Genossin, nach Liebe und
Freundschaft. Lag darin nicht eine grausame Ungerechtigkeit? Warum
bin ich der einzige Schuldige, da doch alle sich an mir
versündigten? Warum hassen Sie denn nicht Felix, der den Armen mit
Schlägen von seiner Schwelle vertrieb? Warum suchen Sie nicht den
Bauern, der den Retter seines Kindes mit der Mordwaffe schwer
verwundete? Nein, das sind reine, edle, makellose Wesen, und ich,
der Unglückliche, Verlassene, bin eine Mißgeburt, die man stoßen
und schlagen und treten darf. Noch heute kocht mein Blut, wenn ich
dieser Ungerechtigkeit, dieser Schmach gedenke.«
»Ich weiß, ich bin ein Verbrecher. Ich habe liebliches,
unschuldiges Leben hingemordet; ich habe die harmlosen Menschen
gewürgt, während sie schliefen, und ihnen die Kehle zugedrückt, daß
sie starben; und sie hatten doch weder mir noch anderen ein Leid
getan. Ich habe mir geschworen gehabt, meinen Schöpfer, eine Zier
seines Geschlechtes, einen lieben, anbetungswürdigen Menschen, dem
Verderben zu weihen; ich habe ihn verfolgt bis an die Pforten des
Todes. Hier liegt er nun, bleich und kalt und starr. Sie hassen
mich, aber Ihr Haß, Ihr Abscheu kann lange nicht mit dem verglichen
werden, den ich selbst gegen mich empfinde. Ich sehe die Hände an,
die das Verruchte getan; ich höre das Herz klopfen, in dessen
Tiefen die grausamen Pläne reiften, und ich sehne mich nach der
Zeit, da diese Augen nicht mehr die blutigen Hände sehen und die
düstren Gedanken schlafen gegangen sein werden.«
»Seien
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