Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
Miniflaschen, die das Personal aus lauter Faulheit nicht in den Müll geworfen hat.
John zieht an seiner Zigarette und starrt zu Boden, als würde er dort Antwort auf irgendwas suchen. Seine lange, dürre Gestalt ist in sich verkrümmt wie eine dieser billigen Skulpturen aus Kleiderbügeldraht.
»Hallo Johnny, wie geht’s?«, fragt Frank.
John zuckt hoch. »Mein Gott, Frank, hast du mich erschreckt!«
Johnny muss so etwa – wie alt? – Mitte, Ende fünfzig sein. Aber er sieht älter aus.
»Stimmt was nicht?«, fragt Frank.
John schüttelt den Kopf. »Alles Scheiße im Moment.«
»Wegen G-Sting?«, fragt Frank. »Steckt das Hunnybear da mit drin?«
»Bis hier.« John hält die flache Hand unters Kinn. »Wenn die nun dichtmachen. Ich brauch die verdammte Knete, Frank.«
»Das flaut wieder ab«, sagt Frank. »Kannst dich drauf verlassen.«
John schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht.«
»Du findest immer was Neues, John«, sagt Frank. »Wenn ich ein Wort für dich einlegen kann …«
John einen Zweitjob in einem gehobenen Restaurant zu verschaffen, wäre kein Problem. Er ist ein guter Koch, außerdem ist er beliebt. Jeder mag ihn.
»Danke, Frank. Im Moment nicht.«
»Lass es mich wissen.«
»Danke.«
Frank kommt noch vor Donna an den Tisch zurück und freut sich, dass Frauen auf der Toilette immer Schlange stehen müssen und so lange brauchen, ihre komplizierte Takelage in Ordnung zu bringen.
»Wie geht’s dem Koch?«, fragt Donna, als er aufsteht und ihr den Stuhl hält. Frank setzt sich wieder, zuckt die Schultern und spielt die gekränkte Unschuld.
»Unverbesserlich«, sagt Donna.
Während sie beim Dessert sind, fängt es richtig an zu regnen. Genau gesagt hat nur Frank ein Dessert bestellt – Käsetorte mit Espresso – und Donna einen schwarzen Kaffee. Dicke, schwere Tropfen klatschen an die Scheibe, und keine Minute später treibt der Wind ganze Schwaden gegen die Fenster.
Die meisten Gäste stellen ihre Unterhaltung ein, um das Schauspiel zu verfolgen. So oft regnet es in San Diego nicht, in den letzten Jahren ist es noch weniger geworden, und einen Regen wie diesen hat man selten. Das ist der eigentliche Winteranfang, der Beginn der kurzen Monsunphase in diesem mediterranen Klima. Die Leute lehnen sich zurück und sehen sich das an.
Immer mehr weiße Schaumkronen, denkt Frank.
Morgen wird schön was los sein.
Von Donnas Apartment kann man den Ozean nicht sehen. Es liegt auf der Landseite, deshalb hat sie sechzigProzent weniger gezahlt. Frank ist das egal. Wenn er bei Donna ist, will er Donna sehen und sonst nichts.
Ihr Liebesleben folgt einem festen Ritual. Donna gehört nicht zu den Raus-aus-den-Klamotten-rein-ins-Bett-Frauen, obwohl sie beide wissen, dass es darauf hinausläuft. Heute Abend gehen sie wie meistens, wenn er zu ihr kommt, ins Wohnzimmer, und sie legt eine Scheibe von Sinatra auf. Dann holt sie zwei Gläser Brandy, und sie setzen sich zum Knuddeln aufs Sofa.
Am liebsten würde Frank in der Höhlung von Donnas Schulter wohnen, ohne jemals rauszukommen. Ihr Hals ist lang und schlank, und von dem Parfüm, das sie dort hintupft, wird ihm ganz schwindlig. Er verbringt viel Zeit damit, ihren Hals zu küssen, und vergräbt die Nase in ihrem roten Haar, dann geht er zu ihrer Schulter über, und nachdem er dort eine Weile verweilt hat, schiebt er den Träger ihres Kleids beiseite. Meist trägt sie einen schwarzen BH, was ihn schon mal wild macht. Er küsst den Ansatz ihrer Brüste, während sich seine Hand auf die lange Reise vom Knie nach oben begibt. Als Nächstes küsst er ihren Mund und hört sich ihr Schnurren an – bis sie aufsteht, ihn bei der Hand nimmt und ins Schlafzimmer zieht. Mit den Worten »Ich mach mich mal frisch« verschwindet sie im Badezimmer und lässt ihn voll angezogen auf dem Bett liegen, wo er auf ihren Auftritt wartet.
Donna hat tolle Lingerie.
Die kriegt sie zum Großhandelspreis von ihren Lieferanten. So verwöhnt sie sich. Na ja, sie verwöhnt mich , denkt Frank, als er sich die Schuhe auszieht, dann die Krawatte lockert. Einmal, ein einziges Mal, hat er sich gleich ausgezogen und lag nackt im Bett, als sie aus dem Bad kam, worauf sie fragte: »Was bildest du dir ein?« – und ihn bat zu gehen.
Das Warten hat kein Ende, doch er genießt jede Sekunde davon. Er weiß, dass sie sich sorgfältig zurechtmacht, umihm zu gefallen, ihr Make-up auffrischt, neues Parfüm auflegt, ihr Haar bürstet.
Die Tür geht auf, sie schaltet das Badezimmerlicht
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