Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
Osten statt wie sonst vom Westen in seine Durchfahrt kommt. Als er einbiegt, steht der Hummer noch da. Trotz des rauschenden Regens hört er die Bässe wummern. Die Trottel da drinnen hören ihren Rap und kriegen nichts mit.
Was die Sache vereinfacht.
Er läuft durch die Durchfahrt und tappt in Pfützen, dieden Glanz seiner Schuhe ruinieren, doch er achtet darauf, immer genau hinter dem Hummer zu bleiben, damit er in den Seitenspiegeln nicht so leicht zu sehen ist. Beim Näherkommen riecht er schon die Joints, und jetzt weiß er, dass er es mit kompletten Idioten zu tun hat – Kindern, Drogendealern –, die in ihrem coolen Schlitten sitzen, sich bekiffen und Musik hören.
Er ist nicht mal sicher, ob sie mitkriegen, wie er durch die hintere Tür schlüpft. Er hält dem Fahrer die Kanone an den Hinterkopf und zieht den Hahn zurück.
»Ich hab dir ja gesagt, er ist es«, sagt Travis.
»Frankie«, sagt J. »Kennst du mich nicht mehr?«
Ja, könnte sein, dass Frank ihn noch kennt, obwohl es Jahre her ist. Der Junge – vielleicht Mitte zwanzig – hat kurzes schwarzes Haar, das zu Stacheln aufgegelt ist, irgendein Bolzen steckt in seiner Unterlippe und Ringe in seinen Ohrmuscheln. Dazu trägt er Surferklamotten – ein langärmliges Billabong-Shirt unter einer Rusty-Fleecejacke, Workout-Pants.
»Mouse junior?«, fragt Frank.
Der andere kichert, aber reißt sich sofort zusammen. Mouse junior hat es nicht gern, Mouse junior genannt zu werden. Er zieht »J« vor, was er Frank auch gleich wissen lässt.
Auch der andere ist angezogen wie ein Clown. Dieselbe Gel-Macke, dazu ein schütterer Ziegenbart. Und er trägt eine Surfermütze, was Frank ärgert, weil er so eine Mütze aufsetzt, wenn er aus dem kalten Wasser kommt, nachdem er wirklich gesurft hat, und nicht, um pseudo-hip auszusehen. Und beide haben eine Sonnenbrille auf, was vielleicht der Grund ist, weshalb sie einen ausgewachsenen Mann nicht haben kommen sehen. Das allerdings sagt er ihnen nicht, und er nimmt auch nicht den Revolver weg, obwohl es ein massiver Protokollverstoß ist, den Sohn eines Bosses mit der Waffe zu bedrohen.
Damit kann ich leben, denkt Frank. Er will nicht, dass auf seinem Grabstein steht: Aber er hat sich ans Protokoll gehalten .
»Wer bist du?«, fragt er den anderen.
»Ich bin Travis«, sagt der andere. »Travis Renaldi.«
So weit ist es gekommen, denkt Frank. Italienische Eltern geben ihren Kindern Yuppie-Namen wie Travis.
»Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mr. Machianno«, sagt Travis. »Frankie Machine.«
»Halt die Klappe«, sagt Frank. »Was weißt du denn schon?«
»Genau. Halt dein verdammtes Maul«, sagt Mouse junior. »Frankie, kannst du jetzt mal die Kanone wegnehmen? Wollen wir nicht lieber reingehen? Vielleicht spendierst du uns ein Bier, ’ne Tasse Kaffee oder so was.«
»Was soll das werden? Ein Höflichkeitsbesuch?«, fragt Frank. »Mitten in der Nacht?«
»Wir haben gedacht, wir warten, bis du mit deiner Orgelnummer fertig bist, Frankie«, sagt Mouse junior. Frank ist nicht sicher, ob der überhaupt weiß, was eine »Orgelnummer« ist, aber der schmierige Unterton in der Stimme von Mouse junior spricht für sich. Es dürfte etwa acht Jahre her sein, seit er Junior das letzte Mal gesehen hat, da war er schon ein kleiner Drecksack gewesen. Und ist es offenbar geblieben. Frank würde ihm am liebsten eins hinter die Ohren geben wegen der »Orgelnummer«, aber beim Sohn eines Bosses kann er sich nicht alles erlauben, selbst wenn der Boss so eine Niete ist wie Mouse senior.
Mouse senior – Peter Martini – ist der Boss von dem, was von der L. A.-Familie übrig ist, zu der auch das gehört, was von der San-Diego-Crew übrig ist. Den Spitznamen »Mouse« hat er weg, seit Daryl Gates, der Polizeichef von L. A., die kalifornischen Mobster öffentlich als »Mickymaus-Mafia« bezeichnet hat. Und zu Mouse senior wurde er, als er einen Sohn bekam, den er Peter nannte.
Aber Regeln sind Regeln. Man vergreift sich nicht am Sohn des Bosses.
Und man kann ihm nicht die Gastfreundschaft verweigern.
Frank gefällt es gar nicht, dass er die beiden in sein Haus lassen muss. Erstens, weil sie sich dann umsehen, um vielleicht später wiederzukommen, zweitens ist es nicht gut für den Fall, dass sie irgendwann im Zeugenstand landen. Wenn sie genau beschreiben können, wie sein Haus von innen aussieht, wird es schwer zu leugnen, dass er ihnen jemals begegnet ist.
Andererseits weiß er, dass sein Haus nicht verwanzt
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