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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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aus«, sagte sie und legte mir etwas über die Schultern. »Du kannst diese Decke nehmen.«
    Die bunte Patchworkdecke mit ihren vertrauten grünen und blauen Flicken breitete sich über den Boden aus. Die Decke der Bienen. Ein einzelner Baum erhob sich in den blassblauen Himmel, die Krone griff nach den Wolken. Und in den Ästen und Zweigen saßen Tiere, Tiere, die mir irgendwie bekannt vorkamen.Eine Schildkröte mit einem krummen gelben Streifen, eine Maus mit Barthaaren, drei Opossumbabys. Sie hingen verträumt in einem riesigen Baum, meinem Lebensbaum.
    »Wann habt ihr …?«
    »Tja, wir haben so unsere Geheimnisse«, sagte Grandma Rae und ging in die Küche zurück.
    Und so stand ich, eingewickelt in die Äste, im Eingang von Grandmas Wohnzimmer und starrte die gerahmten Vorfahren auf den Schwarz-Weiß-Bildern an. Meine Leute.
    »Ein ganz schön wilder Haufen, was?«, sagte Izzy und stellte sich hinter mich.
    Ich nickte. »Sie sehen so aus, wie ich mich fühle.«
    »Schlimmer. Das waren ganz harte Zeiten, das Leben damals auf einer Farm.«
    Ich schwieg. Ich sah mir die verhärmten Gesichter an, die unbewegten Blicke. Sogar der Hütehund der Familie starrte entschlossen hinter zwei barfüßigen Jungen hervor.
    »Du meinst, dass du gerade eine schlimme Zeit durchmachst?« Izzy schüttelte den Kopf. »Die Leute da haben es ganz schlimm erlebt. Die Sandstürme von 1936 haben sie beinahe ruiniert.«
    »Ruiniert?«, fragte ich. Ich hatte von den Sandstürmen gehört, wie jedes Kind, das in Oklahoma aufwuchs. Es gehörte so zu unserem Leben wie die Landesgeschichte.
    »1936 hat fast jeden ruiniert«, erwiderte Izzy. »Sandstürme sind über unseren Landzipfel gefegt, haben die Ernten zerstört und die Häuser und Farmen mit Staub bedeckt. Jawoll, das war das schlimmste Jahr. Die Farmer hatten keine Ernte, die sie verkaufen konnten, und das Land hatte keinen Weizen mehr. Die Leute waren arm, Franny. Die Familien hatten kein Geld und nichts zu essen. Die Bäuche waren so leer, dass die Mütter monatelang aus Wurzeln und Knollen Suppe kochten.«
    »Aus Wurzeln und Knollen?« Davon hatte ich noch nie gehört, aber es klang schlimm.
    »Genau, Kartoffeln und Futterrüben, was man eben so im Kartoffelkeller hatte. Meine arme Mutter hat uns Kindern das Gemüse gegeben und selbst die dünne Brühe geschlürft.«
    Ich starrte Izzy an. So hatte Grandma Rae nie davon erzählt. Grandma hatte immer von der harten Arbeit gesprochen, vom starken Willen. Ich hatte wohl gehört, dass das Leben als Farmer hart gewesen war; die klapprigen Pferde, die vor schwere Pflüge gespannt worden waren, erzählten ja schon genug. Aber Grandma hatte nie von den leeren Bäuchen gesprochen.
    »Was war damals?«, fragte ich Izzy.
    »Tja, dieser Teil des Landes wurde schwer getroffen. Wir hatten schon frühere Trockenperioden überstanden, aber nicht so eine. Du kannst es dir nicht vorstellen. Wirtschaftskrise, Krankheit und Hungersnot.Farmer machten dicht, nahmen das wenige, was sie hatten, und machten sich in den Westen auf, in Gegenden wie Kalifornien.«
    Izzy verstummte und ihr Blick wanderte über die Gesichter an der Wand. »Viele Familien gaben auf und zogen weg. Aber nicht meine Familie. Und die Parkers auch nicht.«
    »Wie haben sie es geschafft?«
    »Mit neuen Anbaumethoden. Und mit dem ersten Traktor im Bezirk. Dafür war dein Urgroßvater verantwortlich.«
    »Wirklich?« Ich sah mir den Mann im Overall an, der vor der Scheune stand.
    »Genau. So was war hier in der Gegend noch nie gesehen worden. Die Leute hielten ihn für verrückt. Natürlich war es eine ganz unsichere Zeit, nachdem so viele Farmer verkauft hatten oder zur Aufgabe gezwungen waren. Aber er war ein Kämpfer und er hatte eine Vision und der Traktor war sein Startkapital. Das Ding ist aus Iowa hergekommen, so ein Gerät mit Eisenrädern und einer Kurbel zum Anwerfen, zum Gotterbarmen unbequem zu fahren, aber damit konnte man die Weizenfelder mähen. Hat doppelt so viele Felder in der halben Zeit abgeerntet. Die Nachbarn staunten nur so. Schon bald boten sie ihre besten Pferde und Kühe als Bezahlung für eigene Traktoren an.«
    Ich konnte es vor mir sehen: der wogende Weizen unter der gelben Sonne, mein Urgroßvater auf demSitz des Traktors. Hinter ihm sank eine Reihe Korn nach der anderen um.
    »Einige sagen, dass die Traktoren unsere Farmen hier gerettet haben, andere, dass es der Mann war, der den ersten Traktor gekauft hat. Ich sage: Es war die Hoffnung. Diese Leute hier an

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