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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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bist du noch wie sonst mein Freund?«
    Jener konnte vor dem Entzücken Roderigos immer noch nicht zu Worte kommen, indessen die heiligen Männer in ihrem eifrigen Gezänk fortfuhren. Da Florestan den Namen Ludovico nennen hörte, verließ er auch Sternbald, und eilte zu den beiden, indem er aufrief: »Gott sei gedankt, wenn Ihr Ludovico seid! Ihr seid uns hier in der Einsamkeit unaussprechlich willkommen!«
    Ludovico umarmte seinen Freund, indem Sternbald voller Erstaunen verlassen dastand, dann sagte er lustig: »Mich freut es, dich zu sehn, aber wir müssen doch dort die streitenden Parteien auseinanderbringen.«
    Als sie den fremden schönen Mann auf sich zukommen sahen, der ganz so tat, als wenn es seine Sache sein müßte, ihren Zwist zu schlichten, ließen sie freiwillig voneinander ab. Sie waren von der edlen Gestalt wie bezaubert, Roderigo war vor Freude trunken, seinen Freund wieder zu besitzen, und Florestan konnte kein Auge von ihm verwenden. »Was haben die beiden heiligen Männer gehabt?« fragte Ludovico.
    Der Eremit fing an, seinen Unstern zu erzählen. Der Pilger sei derselbe, der seine Geliebte geheiratet habe, diese Entdeckung habe sich unvermutet während ihrer Gebete hervorgetan, er sei darüber erbittert worden, daß er nun noch zum Überfluß seinem ärgsten Feinde Herberge geben müßte.
    Der Pilgrim verantwortete sich dagegen: daß es seine Schuld nicht sei, daß jener gegen die Gastfreiheit gehandelt und ihn mit Schimpfreden überhäuft habe.
    Ludovico sagte: »Mein lieber Pilger, wenn dir die Großmut recht an die Seele geheftet ist, so überlaß jenem eifrigen Liebhaber deine bisherige Frau, und bewohne du seine Klause. Vielleicht, daß er sich bald hierher zurücksehnt, und du dann gewiß nicht zum zweiten Male den Tausch eingehen wirst.«
    Rudolph lachte laut über den wunderlichen Zank und über diese lustige Entscheidung. Franz aber erstaunte, daß Einsiedler, heilige Männer so unheiligen und gemeinen Leidenschaften, als dem Zorne, Raum verstatten könnten. Der Pilgrim war gar nicht willens, seine Frau zu verlassen, um ein Waldbruder zu werden, der Eremit schämte sich seiner Heftigkeit.
    Alle Parteien waren ausgesöhnt, und sie setzten sich mit friedlichen Gemütern an das kleine Mittagsmahl.
    »Du hast dich gar nicht verändert«, sagte Roderigo.
    »Und muß man sich denn immer verändern?« rief Ludovico aus; »nein, auch Ägypten mit seinen Pyramiden und seiner heißen Sonne kann mir nichts anhaben. Nichts ist lächerlicher, als die Menschen, die mit ernsthaftern Gesichtern zurückkommen, weil sie etwa entfernte Gegenden gesehn haben, alte Gebäude und wunderliche Sitten. Was ist es denn nun mehr? Nein, mein Roderigo, hüte dich vor dem Anderswerden, denn an den meisten Menschen ist die Jugend noch das Beste, und was ich habe, ist mir auf jeden Fall lieber, als was ich erst bekommen soll. Eine Wahrheit, die nur bei einer Frau eine Ausnahme leidet. Nicht wahr, mein lieber Pilgrim? Du selbst kömmst mir aber etwas anders vor.«
    »Und wie steht es denn in Ägypten?« fragte Florestan, der gern mit dem seltsamen Fremden bekannter werden wollte.
    »Die alten Sachen stehn noch immer am alten Fleck«, sagte jener, »und wenn man dort ist, vergißt man, daß man sich vorher darüber verwundert hat. Man ist dann so eben und gewöhnlich mit sich und allem außer sich, wie mir hier im Walde ist. Der Mensch weiß nicht, was er will, wenn er Sehnsucht nach der Fremde fühlt, und wenn er dort ist, hat er nichts. Das Lächerlichste an mir ist, daß ich nicht immer an demselben Orte bleibe.«
    »Habt Ihr die seltsamen Kunstsachen in Augenschein genommen?« fragte Franz bescheiden.
    »Was mir vor die Augen getreten ist«, sagte Ludovico, »habe ich ziemlich genau betrachtet. Die Sphinxe sehn unsereins mit gar wunderlichen Augen an, sie stehn aus dem fernen Altertum gleichsam spöttisch da, und fragen: ›Wo bist du her? was willst du hier?‹ Ich habe in ihrer Gegenwart meiner Tollkühnheit mich mehr geschämt, als wenn vernünftige Leute mich tadelten, oder andre mittlern Alters mich lobten.«
    »Oh, wie gern möchte ich Euer Gefährte gewesen sein!« rief Franz aus, »die Gegenden wirklich und wahrhaftig zu sehn, die schon in der Imagination unsrer Kindheit vor uns stehn, die Örter zu besuchen, die gleichsam die Wiege der Menschheit sind. Nun dem wunderbaren Laufe des alten Nils zu folgen, von Ruinen in fremder, schauerlicher, halbverständlicher Sprache angeredet zu werden, Sphinxe im Sande,

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