Franz Sternbalds Wanderungen
Stadt in den Alpen zieht, sein Gesellschafter ihn fragt: ob denn hier auch wohl Neid und Verfolgung und Plane zu Hause wären, und er mit seiner höchsten Größe die tiefsinnigen Worte ausspricht: »Glaube mir, ich möchte lieber hier der Erste , als in Rom der Zweite sein.«
Dies ist nicht bloßer Ehrgeiz, oder wenn man es so nennen will, so ist es das Erhabenste, wozu sich ein Mensch emporschwingen kann. Denn freilich, war Rom, das damals die ganze Welt beherrschte, im Grunde etwas anders, als jene kleine unbedeutende Stadt? Der höchste Ruhm, die größte Verehrung des Helden, auch wenn ihm der ganze Erdkreis huldigt, was ist es denn nun mehr? Wird er niemals wieder vergessen? Ist vor ihm nicht etwas Ähnliches dagewesen? Es ist eine große Seele in Cäsars Worten, die hier so kühn das anscheinend Höchste mit dem scheinbar Niedrigsten zusammenstellt. Es ist ein solcher Ehrgeiz, der diesen Ehrgeiz wieder als etwas Gemeines und Verächtliches empfindet, der sein Leben, das er führt, nicht höher anschlägt, als das des unbedeutenden Bürgers, der das ganze Leben gleichsam nur so mitmacht, weil es eine hergebrachte Gewohnheit ist, und der nun in der Fülle seiner Herrlichkeit, wie als Zugabe, als einen angeworfenen Zierat, seinen Ruhm, seine glorwürdigen Taten, sein erhabenes Streben hineinlegt. Wo die Wünsche der übrigen Menschen über ihre eigne Kühnheit erstaunen, da sieht er noch Alltäglichkeit und Beschränktheit; wo andre sich vor Wonne und Entzücken nicht mehr fassen können, ist er kaltblütig, und nimmt mit zurückhaltender Verachtung an, was sich ihm aufdrängt.
Mir fallen diese Gedanken bei, weil viele jetzt von den wahrhaft großen Männern mit engherziger Kleinmütigkeit sprechen, weil diese es sich einkommen lassen, Riesen und Kolosse auf einer Goldwaage abzuwägen. Eben diese können es auch nicht begreifen, warum ein Sylla in seinem höchsten Glanze das Regiment plötzlich niederlegt, und wieder Privatmann wird, und so stirbt. Sie können es sich nicht vorstellen, daß der menschliche Geist, der hohe nämlich, sich endlich an allen Freuden dieser Welt ersättige, und nichts mehr suche, nichts mehr wünsche. Ihnen genügt schon das bloße Dasein, und jeder Wunsch zerspaltet sich in tausend kleine; sie würden ohne Stolz, in schlechter Eitelkeit Jahrhunderte durchleben, und immer weiterträumen, und keinen Lebenslauf hinter sich lassen.
Jetzt ist es mir sehr deutlich, warum Cato und Brutus gerne starben; ihr Geist hatte den Glanz verlöschen sehn, der sie an dieses Leben fesselte. – Ich lese viel, wozu Du mich sonst oft ermahntest, in der Heiligen Schrift, und je mehr ich darin lese, je teurer wird mir alles darin. Unbeschreiblich hat mich der Prediger Salomo erquickt, der alle diese Gedanken meiner Seele so einfältig und so erhaben ausdrückt, der die Eitelkeit des ganzen menschlichen Treibens durchschaut hat; der alles erlebt hat, und in allem das Vergängliche, das Nichtige entdeckt, daß nichts unserem Herzen genüget, und daß alles Streben nach Ruhm, nach Größe und Weisheit Eitelkeit sei; der immer wieder damit schließt: »Darum sage ich, daß nichts besser sei, denn daß ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit, denn das ist sein Teil.«
»Was hat der Mensch von aller seiner Mühe, die er hat unter der Sonnen? Ein Geschlecht vergehet, das andre kömmt, die Erde aber bleibt ewiglich. Die Sonne gehet auf und gehet unter, und läuft an ihren Ort, daß sie daselbst wieder aufgehe. Der Wind gehet gegen Mittag, und kömmt herum zu Mitternacht, und wiederum an den Ort da er anfing. Alle Wasser laufen ins Meer, noch wird das Meer nicht völler; an den Ort wo sie herfließen, fließen sie wieder hin. Es ist alles Tun so voll Mühe, daß niemand ausreden kann. Das Auge siehet sich nimmer satt, und das Ohr höret sich nimmer satt. Was ist's das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird. Was ist's, das man getan hat? Eben das man hernach wieder tun wird, und geschieht nichts Neues unter der Sonnen.« –
Und nachher sagt er: »Ist's nun nicht besser dem Menschen, essen und trinken, und seine Seele guter Dinge sein in seiner Arbeit?«
»Wie es dem Guten gehet, so geht's auch dem Sünder. Das ist ein böses Ding, unter allem, das unter der Sonnen geschieht, daß es einem geht wie dem andern, daher auch das Herz des Menschen voll Arges wird, und Torheit in ihrem Herzen, dieweil sie leben, darnach müssen sie sterben. – Denn die Lebendigen wissen, daß sie sterben werden, aber die
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