Franz Sternbalds Wanderungen
Schüler uns nun nicht wieder übertreffen?«
»Was hätten wir aber dann mit unsrer Arbeit gewonnen?« rief Lukas aus.
»Daß sie ihre Zeit ausfüllt«, sagte Dürer gelassen, »und daß wir sie gemacht haben. Weiter wird es niemals einer bringen. Jedes gute Bild steht da an seinem eigenen Platze, und kann eigentlich nicht entbehrt werden, wenn auch viele andre in andern Rücksichten besser sind, wenn sie auch Sachen ausdrücken, die man auf jenem Bilde nicht antrifft. Ja oft geht man rückwärts, indem man vorschreitet, vor einiger Zeit sah ich ein altes Bild Wohlgemuths wieder, und eine solche Lieblichkeit und zarte Rührung glänzten mich daraus an, wie ich mir nie getraue, hervorzubringen, weil meine Weise wohl stärker und härter ist.«
»Ja, ja«, sagte Lukas still vor sich hin, »da mag was dran sein, hat doch einer sogar einmal behauptet, meine Bilder dürften sich mit denen des alten Johann von Eyck nicht messen. Wer weiß, welche sonderbare Werke und kunterbunte Meinungen nach uns in der Welt entstehen!«
»Ich habe mich immer darin gefunden«, fuhr Dürer fort, »daß vielleicht mancher zukünftige Maler von meinen Gemälden verächtlich sprechen mag, daß man meinen Fleiß, und auch wohl mein Gutes daran verkennt. Viele machen es schon jetzt mit denen Meistern nicht besser, die vor uns gewesen sind, sie sprechen von ihren Fehlern, die jedem in die Augen fallen, und sehn ihr Gutes nicht; ja es ist ihnen unmöglich, das Gute daran zu sehn. Aber auch dieses Lästern rührt bloß vom bessern Zustande unsrer Kunst her, und darum müssen wir uns darüber nicht erzürnen. Und deshalb sehe ich es gerne, daß mein lieber Franz Italien besucht, und alle seine denkwürdige Kunstsachen recht genau betrachtet, eben weil ich viel Anlage zur Malerei bei ihm bemerkt habe. Aus wem ein guter Maler werden soll, der wird es gewiß, er mag in Deutschland bleiben oder nicht. Aber ich glaube, daß es Kunstgeister gibt, denen der Anblick des Mannigfaltigen ungemein zustatten kömmt, in denen selbst neue Bildungen entstehn, wenn sie das Neue sehen, die eben dadurch vielleicht ganz neue Wege auffinden, die wir noch nicht betreten haben, und es ist möglich, daß Sternbald zu diesen gehört. Laßt ihn also immer reisen, denn so viel älter ich bin, wirkt doch jede Veränderung, jede Neuheit noch immer auf mich. Glaubt nur, daß ich selbst auf dieser Reise zu Euch viel für meine Kunst gelernt habe. Wenn Franz auch eine Zeitlang in Verwirrung lebt, und durch sein Lernen in der eigentlichen Arbeit gestört wird, (und ich glaube wohl, daß sein sanftes Gemüt dem ausgesetzt ist) so wird er doch gewiß dergleichen überstehn, und nachher aus diesem Zeitpunkte einen desto größern Nutzen ziehn.« – Dürer erzählte, daß er über das Dorf gereiset sei, in welchem Sternbalds Pflegemutter wohnte, er hatte das neue Altarblatt betrachtet, und lobte, bis auf einige Verzeichnungen, alles, vorzüglich den Gedanken der doppelten Beleuchtung, der ihm selber neu und unerwartet gewesen, er erinnerte sich die fromme Rührung, die aus der stillen Lieblichkeit des Bildes hervorgehe. »Wahrlich«, so beschloß er, »mein lieber Franz, du hast schon jetzt übertroffen, was ich von dir erwarten konnte, und ich freue mich inniglich, daß ich einen solchen Schüler gezogen habe.«
So große Worte waren über den armen Franz noch niemals ausgesprochen, darum wurde er schamrot; aber innerlich war er so erfreut, so überglücklich, daß sich gleichsam alle geistigen Kräfte in ihm auf einmal bewegten und nach Tätigkeit riefen. Er empfand die Fülle in seinem Busen, und ward von den mannigfaltigsten Gedanken übermeistert.
Lukas, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, brach eine neue Weinflasche an, und ging selber mit lustigen Gebärden um den Tisch, um allen einzuschenken. Fröhlich rief er aus: »Laßt uns munter sein, solange dies irdische Leben dauert, wir wissen ja so nicht, wie lange es währt!«
Albrecht trank und lachte. »Ihr habt ein leichtes Gemüt, Meister«, sagte er scherzend, »Euch wird der Gram niemals etwas anhaben können.«
»Wahrlich nicht!« sagte Lukas, »solange ich meine Gesundheit und mein Leben fühle, will ich guter Dinge sein, mag es hernach werden wie es will. Mein Weib, Essen und Trinken und meine Arbeit, seht, das sind die Dinge, die mich beständig vergnügen werden, und nach etwas Höherem strebe ich gar nicht.«
»Doch«, sagte Meister Albrecht ernsthaft, »die geläuterte wahre Religion, der Glaube an Gott
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