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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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der Flut
                  Wächst mein Mut,
Sterb ich gleich, verfehl ich nicht mein Ziel.
                      Unverdrossen
                  Komm ich, Tod,
                  Dein Gebot
Schreckt mich nicht, mein Leben ward genossen.
                      Welle hebt
                  Mich im Schimmer,
                  Bald den Schwimmer
Sie in tiefer, nasser Flut begräbt.‹
        So klang das Lied durch alle Tiefen,
    Die Wogen wurden sanft bewegt,
    In Abgrunds Schlüften, wo sie schliefen,
    Die Seegetiere aufgeregt.
            Aus allen Tiefen blaue Wunder,
    Die hüpfend um den Sänger ziehn,
    Die Meeresfläche weit hinunter
    Beschwimmen die Tritonen grün.
            Die Wellen tanzen, Fische springen,
    Seit Venus aus den Fluten kam
    Man dieses Jauchzen, Wonneklingen
    In Meeresvesten nicht vernahm.
            Arian sieht mit trunknen Blicken
    Lautsingend in das Seegewühl,
    Er fährt auf eines Delphins Rücken,
    Schlägt lächelnd in sein Saitenspiel.
            Des Fisches Sinn zum Dienst gezwungen
    Naht schon mit ihm der Felsenbank,
    Er landet, hat den Fels errungen,
    Und singt dem Fährmann seinen Dank.
            Am Ufer kniet er, dankt den Göttern,
    Daß er entrann dem nassen Tod.
    Der Sänger triumphiert in Wettern,
    Ihn rührt Gefahr nicht an und Tod.‹
    Der Knabe sang das Lied mit einem sehr einfachen Ausdrucke, indem er stets die kunstreiche Arbeit seines Großvaters betrachtete. Ich fragte den Hirten, wieviel er für sein Kunstwerk verlange, und der geringe Preis, den er forderte, setzte mich in Erstaunen. Ich gab ihm mehr als er wollte, und er war außer sich vor Freuden, aber noch einmal nahm er mir den Stock aus der Hand, und betrachtete ihn genau. Er weinte fast, indem er sagte: ›Ich habe so lange an dieser Figur geschnitzt, und muß sie nun in fremde Hände geben, es ist vielleicht meine letzte Arbeit, denn ich bin alt, und die Finger fangen mir an zu zittern, ich kann nichts so Künstliches wieder zustande bringen. Seit ich mich darauf geübt habe, sind viele Sachen von mir geschnitten, aber noch nichts habe ich bisher mit diesem Eifer getrieben; es ist mein bestes Werk.‹

Es rührte mich, ich nahm Abschied und begab mich auf den Weg zur Stadt. Je näher ich dem Tore kam, je mehr fiel es mir auf, je wunderlicher kam ich mir vor, daß ich mit einem so langen Stabe näher schritt. Ich dachte daran, wie es allen Einwohnern der Stadt, allen meinen Bekannten auffallen müsse, wenn ich mit dem langen Holze durch die Gassen zöge, an dem oben ein großes Bild sich zeigte. ›Dem ist leicht vorzubeugen‹, dachte ich bei mir selber, und schon hatte ich meine Faust angelegt, den bunten Knopf herunterzubrechen, um ihn in die Tasche zu stecken, und den übrigen Teil des Stocks dann im Felde fortzuwerfen.
    Ich hielt wieder ein. ›Wie viele mühevolle Stunden‹, sagte ich, ›hast du, Alter, darauf verwandt, um den künstlichen Fisch mit dem Stocke zusammenzuhängen, dir wäre es leichter gewesen, ihn für sich zu schneiden, und wie grausam müßte es dir dünken, daß ich jetzt aus falscher Scham die schwerste Aufgabe deines mühseligen Werks durchaus vernichten will.‹
    Ich warf mir meine Barbarei vor, und war mit diesen Gedanken schon in das Tor gekommen, ohne es zu bemerken. Es ängstete mich gar nicht, daß die Leute mich aufmerksam betrachteten; wohlbehalten und unverletzt setzte ich in meinem Zimmer den Stock unter andern Kunstsachen nieder. Die Arbeit nahm sich zwar nun nicht mehr so gut aus, als im freien Felde, aber innigst rührte mich immer noch der unermüdliche Fleiß, diese Liebe, die sich dem lieblosen Holze, der undankbaren Materie so viele Tage hindurch angeschlossen hatte.
    Indem ich das Werk noch betrachtete, fiel mir der Maler wieder in die Gedanken. Es gereute mich nun recht herzlich, daß ich so unfreundlich von ihm gegangen war. Ihm war die Bildung seiner Hand und seiner Phantasie auch so befreundet, die er nur für eine Nichtswürdigkeit einem Fremden auf immer überlassen sollte. Ich schämte mich, zu ihm zu gehn und meine Reue zu bekennen, aber da standen die Gestalten der armen Kinder vor meinen Augen, ich sah die dürftige Wohnung, den bekümmerten Künstler, der, von der ganzen Welt verlassen, die Bäume und benachbarten Felsen als seine Freunde anredete. ›Wie einsam ist der Künstler‹, seufzte ich laut, ›den

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