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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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kann es Euch unmöglich für denselben geringen Preis lassen, für den Ihr das letzte bekommen habt.‹
    Ich verwunderte mich darüber, ich fragte ihn, warum er bei mir grade anfangen wolle, seine Sachen teurer zu halten, aber er ließ sich dadurch nicht irremachen. Ich sagte, daß ihm das Gemälde wahrscheinlich stehnbleiben würde, wenn er seinem Eigensinne folgte, da ich es bestellt habe, und es kein andrer nachher kaufen würde, wie es ihm schon mit so manchen gegangen. Er antwortete aber ganz kurz: die Summe sei klein, ich möchte sie verdoppeln, es sei nicht zu viel, übrigens möchte ich ihn nicht weiter quälen.
    Es verdroß mich, daß der Maler gar keine Rücksichten auf meine Einwendungen nahm, ich verließ ihn stillschweigend, und er blieb nachdenkend auf seinem Sessel vor dem Bilde sitzen. Ich begriff es nicht, wie ein Mensch, der von der Armut gedrückt sei, so hartnäckig sein könne, wie er in seinem Starrsinne so weit gehe, daß er von seiner Arbeit keinen Nutzen ziehn wolle.
    Ich strich im Felde umher, um meinen Verdruß über diesen Vorfall zu zerstreuen. Als ich so herumging, stieß ich auf eine Herde Schafe, die friedlich im stillen Tale weidete. Ein alter Schäfer saß auf einem kleinen Hügel, in sich vertieft, und ich bemerkte, daß er sorgsam an einem Stocke schnitzelte. Als ich näher trat und ihn grüßte, sah er auf, wobei er mir sehr freundlich dankte. Ich fragte ihn nach seiner Arbeit, und er antwortete lächelnd. ›Seht, mein Herr, jetzt bin ich mit einem kleinen Kunststücke fertig, woran ich beinahe ein halbes Jahr ununterbrochen geschnitzt habe. Es fügt sich wohl, daß reiche und vornehme Herren sich meine unbedeutenden Sachen gefallen lassen und sie mir abkaufen, um mir mein Leben zu erleichtern, und deshalb bin ich auf solche Erfindungen geraten.‹
    Ich besah den Stock, als Knopf war ein Delphin ausgearbeitet, mit recht guter Proportion, auf dem ein Mann saß, welcher eine Zither spielte. Ich merkte, daß er den Arian vorstellen solle. Am künstlichsten war es, daß der Fisch unten, wo er sich an den Stock schloß, ganz fein abgesondert war, es war zu bewundern, wie ein Finger die Geduld und Geschicklichkeit zugleich haben konnte, die Figuren und alle Biegungen so genau auszuhöhlen, und doch so frei dabei zu arbeiten; es rührte mich, daß das mühselige Kunststück nur einen Knopf auf einem gewöhnlichen Stocke bedeuten solle.
    Der alte Mann fuhr fort zu erzählen, daß er unvermutet ein Lied von diesem Delphin und Arian angetroffen, das ihm seither so im Sinne gelegen, daß er die Geschichte fast wider seinen Willen habe schnitzen müssen. ›Es ist recht wunderbar und schön‹, sagte er, ›wie der Mann auf den unruhigen Wogen sitzt, und ihn der Fisch durch seinen Gesang so liebgewinnt, daß er ihn sicher an das Ufer trägt. Lange habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, auf welche Weise ich wohl das Meer machen könnte, so daß man auch die Not und das Elend des Mannes gewahr würde, aber dergleichen war pur unmöglich, wenn ich auch die See mit Strichen und Schnitzen hätte daran machen wollen, so wäre es doch nachher nicht so künstlich gewesen, wie jetzt der Stock durch den feinen Schwanz des Fisches mit dem obern Bilde verbunden ist.‹
    Er rief einen jungen Burschen, seinen Enkel, der mit dem Hunde spielte, und befahl ihm das Lied abzusingen, worauf jener in einer einfachen Weise diese Worte sang:
        ›Arian schifft auf Meereswogen
    Nach seiner teuren Heimat zu,
    Er wird von Winden fortgezogen,
    Die See in stiller, sanfter Ruh.
            Die Schiffer stehn von fern und flüstern,
    Der Dichter sieht ins Morgenrot,
    Nach seinen goldnen Schätzen lüstern
    Beschließen sie des Sängers Tod.
            Arian merkt die stille Tücke,
    Er bietet ihnen all sein Gold,
    Er klagt und seufzt, daß seinem Glücke
    Das Schicksal nicht wie vordem hold.
            Sie aber haben es beschlossen,
    Nur Tod gibt ihnen Sicherheit,
    Hinab ins Meer wird er gestoßen;
    Schon sind sie mit dem Schiffe weit.
            Er hat die Leier nur gerettet,
    Sie schwebt in seiner schönen Hand;
    In Meeresfluten hingebettet
    Ist Freude von ihm abgewandt.
            Doch greift er in die goldnen Saiten,
    Daß laut die Wölbung widerklingt,
    Statt mit den Wogen wild zu streiten,
    Er sanft die zarten Töne singt:
                      ›Klinge Saitenspiel!
                  In

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