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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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trägst du in die übrigen Menschen hinüber. Wer denkt beim Tanze etwas anders, als daß er den Reigen durchführt, daß er sich im hüpfenden Schwarm auf eine lebendige Art ergötzt, und in diesen fröhlichen Augenblicken Vergangenheit und Zukunft durchaus vergißt. Der Tänzer sieht nach dem blühenden Mädchen, sie nach ihm; ihre Augen begegnen sich glänzend, und wenn sie eine Sehnsucht empfinden, so ist es gewiß eine ganz andere, als du sie geschildert hast.«
    »Du bist zu leichtsinnig«, antwortete Franz, »es ist nicht das erstemal, daß ich es bemerke, wie du dir vorsätzlich das schönere Gefühl ableugnest, um einer sinnlichen Schwärmerei nachzuhängen.«
    »Nur nicht wieder diese grellen Unterschiede!« rief Rudolph aus; »denn das ist der ewige Punkt unseres Streites.«
    »Aber ich verstehe dich nicht.«
    »Mag sein!« schloß Florestan, »das Gespräch darüber ist mir jetzt zu umständlich; wir reden wohl ein andermal davon.«
    Franz war ein wenig auf seinen Freund erzürnt; denn es war nicht das erstemal, daß sie so miteinander stritten. Florestan betrachtete alle Gegenstände leichter und sinnlicher, es war oft dieselbe Empfindung, die Franz nur mit andern Worten ausdrückte; es fügte sich wohl, daß Sternbald nach einiger Zeit denselben Gedanken äußerte, oft kam auch Rudolph später zu dem Gefühl, dem er kurz vorher an seinem Freunde widersprochen hatte. Wenn die Menschen Meinungen wechseln, so entsteht nur gar zu oft ein blindes Spiel des Zufalls daraus, aus dem Wunsche sich mitzuteilen erwacht die Sucht zu streiten, und wir widersprechen oft, statt uns zu bemühn, die Worte des andern zu verstehen.
    Nachdem Franz eine Weile geschwiegen hatte, fuhr er fort: »Oh, mein Florestan, was ich mir wünsche, in meinem eigentümlichen Handwerke das auszudrücken, was mir jetzt Geist und Herz bewegt, diese Fülle der Anmut, diese ruhige, scherzende Heiterkeit, die mich umgibt. Malen möchte ich es, wie in dem Luftraume sich edle Geister bewegen, und durch den Frühling schreiten, so daß aus dem Bilde ein ewiger Frühling mit unverwelklichen Blüten prangte, der jedem Auge auch nach meinem Tode neu aufginge und den freundlichen Willkommen entgegenbrächte. Meinst du nicht, daß es dem großen Künstler möglich sei, in einem Historiengemälde, oder auch auf andere Weise, einem fremden Herzen das deutlich hinzugeben, was wir jetzt empfinden?«
    »Ich glaube es wohl«, antwortete Florestan, »und vielleicht gelingt es manchem, ohne daß er es sich gerade vorsetzt. Geh nach Rom, mein Freund, und dieser ewige Frühling, nach dem du dich sehnst, blüht dort im Gartensaale meines Beschützers und Freundes, des reichen Augustin Chigi. Der göttliche Raffael hat ihn dort hingezaubert, und man nennt diese Bilder gewöhnlich die Geschichte des Amor und der Psyche. Diese Luftgestalten schweben dort, vom blauen Äther umgeben, und bedeutungsvoll von großen frischen Blumenkränzen und Früchten umschlungen. Da ist alle Herrlichkeit der Erde und des Himmels, die Leiden und die Lust der Liebe, und scherzend und wandelnd durch die Ätherbläue Amor und seine Geliebte, trauernd und froh, alle Götter im hohen Rat, und aller Ernst in milder Lieblichkeit und alle Lieblichkeit groß und göttlich, ja die ewige Jugend, der nie verblühende Frühling, das paradiesische Entzücken ist von dem Jünglingsgeiste, dem prophetischen Raffael, in seiner schönsten Begeisterung hingezaubert, die Verkündigung der Liebe und der Blumenschönheit, daß alle Herzen der Liebe und der Sehnsucht dienen sollen: das Göttlichste, der Zauber, der den Himmel umflicht, und die Erde mit ewiger Jugend umgürtet, ist dem Menschenherzen vertraulich nahe gerückt, und den sterblichen Augen enthüllen sich die Seligkeiten des Olympus. Und dann im Nebenzimmer der verkörperte Traum süßester Wollust, Galatea im Meere, auf ihrem Muschelwagen fahrend! O mein Franz, gedulde dich, bis du in Rom bist, dann tu Augen und Herz auf, und du darfst nachher sterben.«
    »Ach, Raffael!« sagte Franz Sternbald, »wie viel hab ich nun schon von dir reden hören; wenn ich dich nur noch im Leben anträfe!«
    »Ich will dir noch ein Lied vom Frühlinge singen«, sagte Rudolph.
    Sie standen beide auf, und Florestan sang. Er präludierte auf seiner Flöte, und zwischen jeder Strophe spielte er einige Töne, die artig zum Liede paßten.
    »Vöglein kommen hergezogen,
Setzen sich auf dürre Äste: –
›Weit, ach weit sind wir geflogen,
Angelockt vom

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