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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Frühlingsweste.‹
        Also klagen sie, die Kleinen:
›Schmetterlinge schwärmen schon,
Bienen sumsen ihren Ton,
Suchen Honig, finden keinen.
        Frühling! Frühling! komm hervor!
Höre doch auf unsre Lieder,
Gib uns unsre Blätter wieder,
Horch, wir singen dir ins Ohr!
        Kommt noch nicht das grüne Laub?
Laß die kleinen Blättlein spielen,
Daß sie warme Sonne fühlen,
Keines wird dem Frost zu Raub.‹ –
        ›Was singt so lieblich leise?‹
Spricht drauf die Frühlingswelt:
›Es ist die alte Weise,
Sie kommen von der Reise,
Keine Furcht mich rückwärts hält.‹
        Auf tun sich grüne Äugelein,
Die Knospen sich erschließen
Die Vögelein zu grüßen,
Zu kosten den Sonnenschein.
        Durch alle Bäume geht der Waldgeist
Und sumst: ›Auf, Kinder! der Frühling ist da!
Storch, Schwalbe, die ich schon oftmals sah,
Auch Lerch und Grasemück ist hergereist.
        Streckt ihnen die grünen Arm' entgegen,
Laßt sie wohnen wie immer im schattigen Zelt,
Daß sie von Zweig zu Zweig sich regen,
Und jubeln und singen in frischer Welt.‹ –
        Nun regt sich's und quillt in allen Zweigen,
Alle Quellen mit neuem Leben spielen,
In den Ästen Lust und Kraft und Wühlen,
Jeder Baum will sich vor dem andern zeigen.
        Nun rauscht es, und alle stehn in grüner Pracht,
Die Abendwolken über Wäldern ziehn,
Und schöner durch die Wipfel glühn,
Der grüne Hain vom goldnen Feuer angefacht.
        Gebiert das Tal die Blumen an das Licht,
Die die holde Liebe der Welt verkünden,
Es lächelt und winkt in stillen Gründen
Des sanften Veilchens Angesicht,
Das sinnige Vergißmeinnicht.
        Sie sind die Winke, die süßen Blicke,
Die dem Geliebten das Mädchen reicht,
Vorboten vom zukünftgen Glücke,
Ein Auge, das schmachtend entgegenneigt.
        Sie bücken sich mit schalkhaftem Sinn
Und grüßen, wer vorübergeht,
Wer ihren sanften Blick verschmäht
Dem reichen sie neckend die Finger hin.
        Doch nun erscheint des Frühlings Frühlingszeit,
Wenn Liebe Gegenliebe findet
Und sich zu einer Lieb entzündet,
Dann glänzt die Pracht der Blumen hell und weit.
        Die Rosen nun am Stock ins Leben kommen,
Und brechen hervor mit liebreizendem Prangen,
Die süße Röte ist angeglommen,
Daß sie, vereinter Schmuck, dicht aneinander hangen.
Dann ist des Frühlings Frühlingszeit,
Mit Küssen, mit Liebesküssen der Busch bestreut.
        Rose, süße Blüte, der Blumen Blum,
Der Kuß ist auf deinen Lippen gemalt,
O Ros, auf deinem Munde strahlt
Der küssenden Lieb Andacht und Heiligtum.
        Höher kann das Jahr sich nicht erschwingen,
Schöner als Rose der Frühling nichts bringen,
Nun läßt Nachtigall Sehnsuchtslieder klingen.
Bei Tage singt das ganze Vögelchor,
Bei Nacht schwillt ihr Gesang hervor.
Und wenn Rose, süß Rose die Blätter neigt,
Dem Sommer wohl das Vögelchor weicht,
Nachtigall mit allen Tönen schweigt.
Die Küsse sind im Tal verblüht,
Dichtkunst nicht mehr durch Zweige zieht.«

Zweites Kapitel
    Franz hatte einen Brief aus Straßburg mitgenommen, um ihn einem Manne in einer nicht entfernten Stadt abzugeben, dessen Bekanntschaft er zu machen wünschte. Sie waren im Begriff einen Seitenweg einzuschlagen, um auf einem Umwege jene Stadt zu besuchen, als sie, auf einem anmutigen Hügel ausruhend, zwei Gestalten auf jenem Wege auf sich zuschreiten sahen. Der eine von diesen trug einen schwarzen Mönchshabit, der andre hatte fast das Ansehn eines Soldaten, denn ihm wankten Federn vom Hut, er trug ein kurzes enges Kleid ohne Mantel, und war mit einem großen Schwert umgürtet, sein Gang wie sein Ansehen waren fest und trotzig. Die Fremden ließen sich auch auf den Hügel nieder. Nach den gewöhnlichen Begrüßungen fragte derjenige, welcher ein Geistlicher zu sein schien, mit freundlichem Wesen, ob die Wanderer vielleicht von Straßburg gekommen wären. Franz sagte: »Wir sind vor kurzem von dort aufgebrochen, und jetzt im Begriff, einen Umweg über jenes Städtchen jenseit des Waldes zu machen, um einen deutschen Bildhauer aufzusuchen, für welchen ich einen Brief mit mir führe.« »So?« sagte der Trotzige, »und sollte dieser Mann nicht vielleicht aus Nürnberg sein und Bolz heißen?« »Allerdings«, sagte Franz, »und ich verwundre mich nur, woher Ihr es wissen könnt.« »Weil ich es selber bin«, sagte jener, »man hat mir schon darüber geschrieben, wie gut, daß wir uns zufällig treffen, denn ich konnte dort nicht mehr verweilen, und hätte mir den Brief müssen nachsenden

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