Franz Sternbalds Wanderungen
lassen.« »Ihr kommt seit kurzem aus Italien?« fragte Franz.
»Ja«, sagte Bolz, »ich gehe nun über Straßburg, und von da nach Nürnberg, meiner Vaterstadt, zurück.«
»O wie glücklich seid Ihr«, rief Sternbald aus, »Ihr seht die geliebte Heimat, den hochverehrten Dürer, den edlen Mann in wenigen Wochen! O bringt ihm und meinem Freunde Sebastian meine herzlichsten Grüße.«
»Kann vielleicht geschehen«, sagte der Bildhauer mit einer wegwerfenden Art. »Aber wer seid Ihr denn? Denn noch weiß ich nichts von Euch, nicht einmal Euren Namen.«
Franz nannte sich ihm und seinen Beruf und fragte dann begierig: »Was macht der edle Raffael von Urbin? Habt Ihr ihn gesehn?«
Der Mönch nahm das Wort: »Nein«, sagte er, »leider hat diese schönste Zier der edlen Malerkunst die Erde verlassen; er ist im vorigen Jahre gestorben. Mit ihm ist die höchste Blüte der Kunst in Italien gewelkt.«
»Wie Ihr da sprecht!« rief der Bildhauer Bolz, »und was wäre dann der unsterbliche Michel Angelo, der die höchste Höhe der Kunst erreichte, die Raffael niemals gekannt hat? Der uns gezeigt hat, was Erhabenheit sei? Dieser lebt noch, mein junger Freund, und er steht als Sieger am Ziel der Skulptur, Malerei und Baukunst, als ein hoher Genius, der jedem Schüler sein Streben andeutet und erleichtert.«
»So ist mir dieser Wunsch meines Herzens versagt?« klagte Franz, »den Mann zu sehen, der ein Freund meines Dürer war, den Dürer so bewunderte, und zu dem seit Jahren ein unnennbares Sehnen mich hinzog?«
»Nun freilich«, rief Bolz aus, »der altfränkische gutherzige Dürer hat ihn auch wohl bewundern dürfen, und für ihn steht freilich Raffael auf einer Höhe, zu der er mit Schwindeln hinaufblicken muß. Er ist aber auch nicht imstande, etwas von Angelos Größe zu verstehen, wenn er ein Werk von diesem erblicken sollte. Dagegen müssen ihm die kleinen Bilder, die mühsam und künstlich ausgeführten Spielwerke Raffaels höchst willkommen, und im ganzen verständlich sein.«
»Erlaubt«, sagte Florestan, »ich bin kein Kenner der Kunst; aber doch habe ich von Tausenden gehört, daß Raffael das Kleinod dieser Erde zu nennen sei, und wahrlich! wenn ich meinen Augen und meinem Gefühle trauen darf, so leuchtet eine erhabene Göttlichkeit aus seinen Werken.«
»Und wie Ihr von Dürer sprecht!« sagte Franz, »dieser weiß wohl das Eigne und Große an fremden Werken zu schätzen; wie könnte er sonst selber ein so großer Künstler sein? Ihr liebt Euer deutsches Vaterland wenig, wenn Ihr von seinem ersten Künstler geringe denkt.«
»Erzürnt Euch nicht«, sagte der Mönch, »denn es ist seine rauhe, wilde Art, daß er alles übertreibt. Ihm dünkt nur das Riesenhafte und Ungeheure schön, und der Sinn für alles übrige scheint ihm versagt.«
»Nun, was ist es denn auch mit Deutschland und mit unsrer einheimischen Kunst?« rief Bolz ergrimmt aus. »Wie armselig und handwerksmäßig wird sie ausgeübt und geschätzt! Noch kein wahrer Künstlergeist hat diesen unfruchtbaren deutschen Boden, diesen trüben Himmel besucht. Was soll auch die Kunst hier? Unter diesen kalten gefühllosen Menschen, die sie in dürftiger Häuslichkeit kaum als Zierat achten? Darum strebt auch keiner von den sogenannten Künstlern das Höchste und Vollkommenste zu erreichen, sondern sie begnügen sich, der kalten dürftigen Natur nahezukommen, ihr hin und wieder einen Zug außer dem Zusammenhange abzulauschen, und glauben dann, wenn sie ihr Machwerk in kahler Unbedeutsamkeit stehen lassen, was Rechtes getan zu haben. So ist Euer gepriesener Albrecht Dürer, Euer Lukas von Leyden, Euer Schoorel, ob er gleich in Italien gewesen ist, der Schweizer Holbein, und keiner von ihnen verdient zu den Malern gezählt zu werden.«
»Ihr kennt sie nicht«, rief Franz unwillig aus, »oder Ihr wollt sie mit Vorsatz verkennen. Soll denn ein Mann allein die Kunst und alle Trefflichkeit völlig bis zum letzten Grunde erschöpft haben, so daß mit ihm, nach ihm kein anderer nach dem Kranze greifen darf? Wie beengt und klein müßte dann das himmlische Gebiet sein, wenn es ein einziger Geist durchschwärmte, und wie ein Herkules an den Grenzen seine Säulen setzte, um der Nachwelt zu sagen, wie weit sie gehen könne. Mir scheint es Barbarei und Hartherzigkeit, Entwürdigung des Künstlers selbst, den ich vergöttern möchte, wenn ich ihm ausschließlich alle Kunst beilegen will. Bisher scheint mir Dürer der erste Maler der Welt; aber ich kann es mir
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