Franz Sternbalds Wanderungen
vorstellen, und er hat es selbst oft genug gesagt, wie viele Herrlichkeiten in andern Gebieten glänzen. Ich bin entzückt, wenn ich daran zurückdenke, welchen reichen Bilderschatz, welche Sammlung edler und lieblicher Werke der Kunst ich allein auf meiner Reise in meinem geliebten Vaterlande gesehen habe. Von Nürnberg aus hat sich durch Franken bis zum Rhein Liebe und Tätigkeit verbreitet, es ist fast kein Ort, der nicht etwas Denkwürdiges aufzuweisen hätte: und denke ich der Fülle des niederländischen Fleißes, der großen und alten Werke, die allein das ehrwürdige Köln in seinen Mauern bewahrt, Malereien, die wohl weit über den Johann von Eyck hinaufzusteigen scheinen, und Größe, Kraft und tiefen Sinn aussprechen: erinnre ich mich, welche Meisterwerke in Gewand-Figuren, in hohem Ausdruck, in Färbung und unbeschreiblicher Lieblichkeit ich von diesem alten Johann gesehn habe; und gedenke ich der unzähligen reizenden und mühevollen Werke den Rhein hinunter in allen Städten; gehe von der früheren Zeit die Manieren in meiner Vorstellung durch, und treffe dann meinen hochverehrten Dürer am Schluß dieser deutschen Jahrhunderte mit der Palme des Verdienstes in der Hand, der gleichsam alle diese einzelnen Bestrebungen in sich vereint, oder geahndet, und für die Zukunft noch vielfache neue Erfindungen angedeutet hat, so freue ich mich meiner Zeit und meines Vaterlandes, am meisten aber jenes edlen Mannes, der mich ihn Freund zu nennen vergönnt: und wenn ich auch gerne glauben und zugeben will, daß das südliche Land und der hohe Michel Angelo noch ungekannte Herrlichkeiten bewahrt, so werde ich doch niemals, wie Ihr, dem deutschen Sinne ungetreu werden können.«
»Kommt nur nach Italien«, sagte Bolz, »und Ihr werdet anders sprechen.«
»Nein, Augustin«, fiel ihm der Mönch ein. »So reich die Kunstwelt dort sein mag, so wird doch dieser junge Mann, nachdem er sie kennengelernt hat, schwerlich anders sprechen. Ihr gefallt Euch in Euren Übertreibungen, in Eurer erzwungenen Einseitigkeit, und glaubt, daß es keinen Enthusiasmus ohne Verfolgungsgeist geben könne. Sternbald wird gewiß auch in Rom und Florenz seinem Dürer getreu bleiben, und er wird gewiß Angelos Erhabenheit und Raffaels Größe und Schöne mit gleicher Liebe umfassen können.«
»Und das soll er, das muß er!« rief Rudolph hier mit einem Ungestüm aus, den man sonst nicht an ihm bemerkte. »Ihr mein ungestümer Herr Polz oder Stolz, oder wie Ihr Euch nennt, habt wenig Ehre davon, daß Ihr solche Gesinnungen und Redensarten aus dem lieblichen Italien mit Euch bringt; nach Norden, nach den Eisländern hättet Ihr reisen müssen. Ihr sprecht von deutscher Barbarei, und fühlt nicht, daß Ihr selber der größte Barbar seid. Was habt Ihr in Italien gemacht, oder wo hat Euch das Herz gesessen, als Ihr im Vatikanischen Palaste vor Raffaels Unsterblichkeit standet?«
Alle mußten über den Ungestüm des Jünglings lachen, und er selbst lachte von Herzen mit, obgleich ihm eine Träne im Auge stand. »Ich bin ein Römer«, sagte er dann, »und ich gestehe, daß ich Rom unaussprechlich liebe; Raffael ist es besonders, der Rom ausgeschmückt hat, und seine hauptsächlichsten Gemälde befinden sich dort. Sagt nun, was Ihr wollt, ich werde Euch gewiß nicht noch einmal so heftig widersprechen.«
»So ist denn dieser Raffael gestorben?« fing Franz von neuem an; »wie alt ist er denn geworden?«
»Gerade neununddreißig Jahre«, sagte der Mönch. »Am Karfreitage, an diesem heiligen Tage ist er geboren, und in diesen merkwürdigen Tag ist auch wieder die Geburtsstunde seines neuen Lebens im Tode gefallen. Er war und blieb sein lebelang ein Jüngling, und aus allen seinen Werken spricht ein milder, kindlich hoher Geist. Sein letztes großes Gemälde war Christi Verklärung, worin er seine eigene Vergötterung gemalt hat, denn vielleicht ist dieses Werk das Höchste und Vollkommenste, das seine Hand nur hervorbringen konnte. Oben schwebt der Erlöser in himmlischer Glorie, neben ihm Elias und Moses, vom Boden erhoben, er in verklärter Gestalt, vom Glanz sind seine Lieblinge geblendet zu Boden gesunken, und unten am Berge sieht man die Apostel, in ihnen den Glauben und die Kraft, welche die Erde noch verwandeln und erleuchten sollen, aber noch ist um sie das Menschenleben dunkel, und sie können der entsetzlichen Not nicht abhelfen, die in Gestalt eines besessenen Knaben, der ihnen zur Heilung herbeigeführt wird, wild und gräßlich vor
Weitere Kostenlose Bücher