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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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sie tritt. In diesem Bilde ist auf die wundersamste Weise alles vereinigt, was heilig, menschlich und furchtbar ist, die Wonne der Seligen mit dem Jammer der Welt, und Schatten und Licht, Körper und Geist, Glaube, Hoffnung und Verzweiflung bildet auf tiefsinnige, rührende und erhabene Weise die schönste und vollendetste Dichtung. Raffaels Sarg stand in der Malerstube, und dieses sein letztes vollendetes Gemälde daneben, seine eigne Verklärung. Der Finger ruhte nun auf immer, der diese Bilder in Leben und Bewegung gezaubert hatte; die bunte freundliche Welt, die aus dem Gestorbenen hervorgegangen war, stand nun neben der blassen Leiche. Ganz Rom war in Bewegung, und keiner von denen, die es sahen, konnte sich der Tränen enthalten.«

»Wessen Tränen«, rief Franz aus, »sollten wohl bei solchem Anblicke nicht fließen? Was können wir denn den großen Kunstgeistern zum Dank anders widmen, als unser volles, entzücktes Herz, unsre andächtige Verehrung? Für diese unbefangene, kindliche Rührung, für diese völlige Hingebung unsers eigentümlichen Selbst, für diesen vollen Glauben an ihre edle Trefflichkeit haben sie gearbeitet; dies ist ihr größter und ihr einziger Lohn. Kommen mir doch jetzt die Tränen in die Augen, wenn ich mir den Abgeschiedenen da liegen denke, unter seinen Gemälden, seine letzte Schöpfung neben ihm, die noch vor wenigen Tagen sein Kunstgeist bewegte und belebte. Oh, man sollte meinen, alle jene lebendigen Gestalten hätten sich verändern, und nur Schmerz und Verzweifelung über den entflohenen Raffael ausdrücken müssen.«
    Der Bildhauer sagte: »Nun gewiß, Ihr habt eine lebhafte Imagination; am Ende meint Ihr gar, sein gemalter Christus hätte ihn wieder vom Tode erwecken können.«
    »Und ist denn Raffael gestorben?« rief Sternbald in seiner Begeisterung aus. »Wird Albrecht Dürer jemals sterben? Nein, kein großer Künstler verläßt uns ganz; er kann es nicht, sein Geist, seine Kunst bleibt freundlich unter uns wohnen. Der Name des Feldherrn wird auch vom späten Enkel noch genannt: aber größeren Triumph genießt der Künstler, Raffael ruht neben seinen Werken glänzender, als der Sieger in seinem ehernen Grabmal: denn er läßt die Bewegungen seines edlen Herzens, die großen Gedanken, die ihn begeisterten, in sichtbaren Bildungen, in lieblichen Klängen unter uns zurück, und jede Gestalt bietet schon jetzt dem noch ungebornen Enkel die Hand, um ihn zu bewillkommnen; jedes Gemälde drückt den entzückten Beschauer an das Herz Raffaels, und er fühlt, wie ihn der Geist des Malers liebevoll umfängt und erwärmt, er glaubt das Wehen des Atems zu fühlen, die Stimme des Grußes zu vernehmen, und ist durch diese Stunde für seine ganze Lebenszeit gestärkt. Und aus diesen Entzückungen strömen neue Triebe und Bildungen, die wieder wie Blüten, oft ihres ersten Stammes unbewußt, späterhin als Frühling, als Kunst, als Unsterblichkeit und himmlische Liebe vom großen Lebensbaum schwankend herniederleuchten und -duften.«
    Bolz sagte: »Ihr werdet Euer lebelang kein großer Maler werden; Ihr erhitzt Euch über alles ohne Not, und das wird Euch gerade von der Kunst abführen.«
    »Darin mögt Ihr nicht ganz unrecht haben«, sagte der Mönch. »Mit welcher Freude erinnre ich mich so mancher sinnvollen Gespräche mit jenem trefflichen Manne, den ich in den florentinischen Gebirgen kennenlernte. Wahrlich, nichts hat mir seitdem noch so gemangelt, als der Umgang mit diesem Geiste, dessen Gesinnungen wie seine Geschichte zu den lehrreichsten und sonderbarsten gehören, von denen ich noch vernommen habe, und dieser wiederholte auch oft jene Behauptung unsers stürmischen Freundes, daß die Kunst einen ruhigen Geist fordre.«
    »Das ist wohl ausgemacht«, sagte Rudolph; »aber warum muß Euch ein alter Herr, den wir alle nicht kennen, erst auf diesen Gedanken bringen, der doch so natürlich ist?«
    »Ihr habt recht«, sagte der höfliche Mönch, »und ich verwundre mich selbst, daß ich an diesen so einleuchtenden Satz meine Erinnerung so gewaltsam anknüpfte; sein ungewöhnlicher Lebenslauf ist es, der mir so oft im Sinne liegt, und ich mußte an ihn denken, seit ich Euren Freund Sternbald vor mir sah, denn so sehr, als sich Jugend und Alter nur ähnlich sein können, gleicht er in Antlitz und Gebärde jenem meinen teuren Freunde.«
    »Könnt Ihr uns nicht etwas von seiner Geschichte erzählen?« fragte Franz.
    Der Mönch wollte eben anfangen, als sie Jagdhörner und Hundegebell

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