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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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hörten. Ein Trupp Reuter jagte bei ihnen vorüber und in den benachbarten Wald hinein. Die Berge gaben die Töne zurück, und ein schönes musikalisches Gewirr lärmte durch die einsame Gegend.
    Bolz stand auf und sagte: »Laßt um des Himmels willen Eure langweiligen Erzählungen; freut Euch doch an diesem Konzerte, das, nach meinem Gefühle, jede Brust erregen müßte. Ich kenne nichts Schöneres, als Jagdmusik, den Hörnerklang, den Widerhall im Walde, das wiederholte Gebell der Hunde und das hetzende Hallo der Jäger. Als ich auf meiner Rückreise über Palästina ging, und nicht weit davon in abgelegener Gegend einen Bekannten besuchen wollte, war ich so glücklich, dort im dichten Walde dem schönsten Mädchen, die ich noch gesehn habe, eine Jungfrau, wie sie uns sonst unsre Phantasie nur edel und reizend malt, bei einer Jagd das Leben zu retten, große Hirtenhunde hatten sich, aufgescheucht vom Getümmel, an sie gemacht, und ich kam eben hinzu, als die wilden Tiere, die dort sehr gefährlich sind, sie anfallen wollten, und sie, fast ohnmächtig, den Versuch machte, einen Baum hinanzuklimmen. Das, Herr Maler, war eine Szene, der Darstellung würdig. Der grüne, dunkelschattige Wald, das Getümmel der Jagd, ein aufgescheuchtes Weib, mit langem fliegenden Goldhaar, das Gewand in Unordnung, der Busen fast frei, Fuß und schönes Bein von der Stellung entblößt. Seht, so habe ich Euch auch aus meiner Erinnerung eine Geschichte erzählt, denn dieses hohe himmlische Bild schwebt mir so vor, daß sie allein mich bewegen könnte, nach Italien zurückzugehn.«
    Franz dachte unwillkürlich an seine Unbekannte, und der Mönch sagte: »Ich kann den Gegenstand so besonders malerisch nicht finden, er ist alltäglich und bedeutungslos.«
    »Nachdem ihn der Maler nehmen dürfte«, fiel Franz ein.
    Sie waren einen Berg hinangestiegen und standen nun ermüdet still. Indem sie sich an der Aussicht ergötzten, und den Krümmungen des Rheins durch die grünen Gefilde folgten, der sich glänzend um Hügel schmiegte, wieder erschien, und dann von Schatten und Wald verschlungen, plötzlich in entfernteren Biegungen von neuem hervorleuchtete, rief Franz aus: »Mich dünkt, ich sehe noch ganz in der Ferne den Münster!«
    Sie sahen alle hin, und ein jeglicher glaubte ihn zu entdecken. »Der Münster«, sagte Bolz, »ist noch ein Werk, das den Deutschen Ehre macht!«
    »Das aber doch gar nicht zu Euren Begriffen vom Idealischen und Erhabenen paßt«, antwortete Franz.
    »Was gehen mich meine Begriffe an?« sagte der Bildhauer; »ich kniee in Gedanken vor dem Geiste nieder, der diesen allmächtigen Bau entwarf und ausführte. Wahrlich, es war ein seltner Geist, der es wagte, diesen Baum mit Ästen, Zweigen und Blättern so hinzustellen, immer höher den Wolken mit seinen Felsmassen entgegenzugehn, und ein Werk hinzuzaubern, das gleichsam ein Bild der Unendlichkeit ist.«
    Sternbald sagte: »Wie freue ich mich, daß es mir so wohl geworden ist, dieses Denkmal deutscher Kunst und Seelenhoheit gesehn zu haben. Mit welcher lauten Stimme wird der Name Erwins durch die Welt gerufen, und wie fühlen wir im Anschauen dieses Monumentes die Unsterblichkeit des Menschengeistes. Hier ist eine Erhabenheit ausgesprochen, für die kein andres Zeichen, keine andre Kunst, ja selbst der unendliche Gedanke nicht genügte; die Vollendung der Symmetrie, die kühnste allegorische Dichtung des menschlichen Geistes, diese Ausdehnung nach allen Seiten, und über sich in den Himmel hinein; das Endlose und in sich selbst Geordnete; die Notwendigkeit des Gegenüberstehenden, welches die andere Hälfte erläutert und vollendet, so daß eins um des andern willen, und alles um die deutsche Größe und Herrlichkeit auszudrücken, da ist. Es ist ein Baum, ein Wald, aber diese allmächtigen, unendlich wiederholten Steinmassen drücken auch, wenn man will, noch viel anderes im Bilde aus. Es ist der Geist des Menschen selbst, seine unendliche Mannigfaltigkeit zur sichtbaren Einheit verbunden, sein kühnes Riesenstreben nach dem Himmel, seine Dauer und Unbegreiflichkeit; den Geist Erwins selbst seh ich in einer furchtbar sinnlichen Anschauung vor mir stehen. Es ist zum Entsetzen, daß der Mensch aus den Felsen und Abgründen sich einzeln die Steine hervorholt, und nicht rastet und ruht, bis er diesen ungeheuren Springbrunnen von lauter Felsenmassen hingestellt hat, der sich ewig, ewig ergießt, und wie mit der Stimme des Donners Anbetung vor uns selbst in unsre sterblichen

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