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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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schloß er; »und was anders sollte ihn wohl hiehergetrieben haben, als die nämliche Sehnsucht, die neue Kraft der Liebe, die auch in ihm durch die Schrecken der Ferne wieder aufgegangen ist? Ja, jenes Lied hat Euch prophetisch geantwortet:
Treulieb ist nimmer weit,
Ihr Gang durch Einsamkeit
Ist dir, nur dir geweiht.«
    »Es sei, ich glaube daran«, rief sie aus, »ich nehme das liebe Kind Hoffnung von neuem in meine Arme. O welchen Trost habt Ihr mir aus der Ferne herübergebracht! So sandte der Himmel frommen Einsiedlern Brot in die Wüste durch das Geflügel der Luft. Ja, wie ein Engel seid Ihr mit dieser Friedensbotschaft in mein verwaistes Haus getreten. O Waldrevier! O grüner Rasenplatz! O Felsenbach! hört ihr es wohl? Er ist wieder in eurer Nähe! Singt nun, Nachtigallen, mit doppler Macht, schlage du Herz nun freudiger fort!«

Sie lehnte sich, in sich hineinlächelnd, an den Baumstamm, und sang dann mit lauter Stimme:
    »Was halt ich hier in meinem Arm?
Was lächelt mich an so hold und warm?
Es ist der Knabe, die Liebe!
Ich wieg ihn und schaukl' ihn auf Knie und Schoß,
Wie hat er die Augen so hell und groß!
O himmlische, himmlische Liebe!
        Der Junge hat schön krausgoldenes Haar,
Den Mund wie Rosen hell und klar,
Wie Blumen die liebliche Wange;
Sein Blick ist Wonne und Himmel sein Kuß,
Red und Gelach Paradiesesfluß,
Wie Engel die Stimm im Gesange.
        Und liebst du mich denn? – Da küßt er ein Ja!
Und wie ich ihm tief in die Augen nun sah,
Da schlägt er mir grimmige Schmerzen;
O böses Kind! ei wie tückisch du!
Wo ist deine Milde, die liebliche Ruh?
Wo deine Sanftmut, dein Scherzen?
        Da geht ein süß Lächeln ihm übers Gesicht:
Ich liebe dich nicht! ich liebe dich nicht!
Da setz ich ihn nieder zu Füßen.
O weh mir! so ruft nun und weinet das Kind,
Du Böse, o nimm mich auf geschwind,
Ich will, ich muß dich küssen.
        Ich heb ihn empor, er schreiet nur fort,
Er hört auf kein liebkosendes Wort,
Er spreitelt mit Beinen und Händen:
Mich ängstiget und betäubt sein Geschrei,
Mich rühren die rollenden Tränen dabei,
Er will die Unart nicht enden.
        Und größer die Angst, und größer die Not,
Ich wünsche mir selbst und dem Kleinen den Tod,
Ich nehm ihn und wieg ihn zum Schlafe:
Und wie er nur schweigt, und wie er nur still,
Vergaß ich, daß ich ihn züchtigen will,
Meine Lieb seine ganze Strafe.
        Da schlummert er süß, es hebt sich die Brust
Vom lieben Atem, ich sättge die Lust
Und kann genug nicht schauen:
Wie ist er so still? Wie ist er so stumm?
Er schlägt nicht, und wirft sich nicht wild herum,
Er tobt nicht! es befällt mich ein Grauen.
        O könnte der Schlaf nicht Tod auch sein?
Ich weck ihn mit Küssen; nun hör ich ihn schrein,
Nun schlägt er, nun kost er, meine Wonne, mein Sorgen,
Dann drückt er mich an die liebliche Brust,
Nun bin ich sein Feind, dann Freund ihm und Lust: –
So geht's bis zum Abend vom Morgen.«
    Der Ausdruck war unbeschreiblich, mit welchem sie diese Verse sang, die sie im Augenblicke zu erfinden schien. Franz war in ihrem Anblick verloren. Sie stand auf und lehnte sich ermüdet an ihn, er mußte sie durch die Baumgänge bis nach dem Garten des Schlosses zurückführen. »Noch einmal dank ich Euch für die tröstliche Nachricht«, sagte sie mit einem Händedrucke, verließ ihn und ging hüpfend in das Haus. Franz sah ihr lange nach, dann setzte er sich in einer abgelegenen Laube nieder, und dachte über die wundersamen Gefühle, die ihm ihr wechselndes Betragen, ihr Liebreiz und ihre Erzählung erregt hatten. Der junge Arnold gesellte sich zu ihm, und da dieser ihn so tiefsinnig sah, sagte er: »Wie nun, mein junger Maler, wie steht es um Euch? Fühlt Ihr auch schon die zauberischen Netze, die sich um Euch her ziehen, und denen Ihr bald nicht mehr werdet entrinnen können, wenn Ihr nicht kühn sie früh genug zerreißt? Ich sah Euch heut mit einem Gefühl von Eifersucht und Mitleid nach; gesteht es nur, daß Ihr Euch an einem gefährlichen Abhange befindet.«
    Franz erzählte ihm treuherzig, was vorgefallen war, und verschwieg ihm den Eindruck nicht, den die Schönheit und die reizende Beweglichkeit der Gräfin auf ihn gemacht hatten. »Ja«, rief Arnold aus, »es ist etwas Furchtbares in dieser Schönheit, wenn sie ohne Schonung so grausam mit ihrer Macht spielen will. Ich bin seit meiner frühen Jugend in diesem Hause, und sah dieses sonderbare und reizende Wesen sich bilden. Sie ist die Freundlichkeit und

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