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Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Titel: Franziskus, der neue Papst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Biallowons
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und das die Grundbedürfnisse Befriedigende sind. So wird Gott zweitrangig, er wird auf ein Mittel reduziert, letztendlich wird er unwirklich, zählt nicht mehr, verdunstet.« Gott als Quelle allen Lebens und aller Freude zu verkünden, war das Programm des Pontifex. Insofern konnte er nicht zulassen, dass aufgrund von falschen Machtgelüsten ebendiese Quelle zu verdunsten begonnen hätte. Stattdessen hat Benedikt XVI. vorgemacht, wie sich der oberste Hirte der katholischen Kirche selbst überprüfen muss und dass in der globalisierten Zeit andere Anforderungen an das Oberhaupt einer weltweit operierenden Gemeinschaft gelten. Damit hat Benedikt XVI., der so oft als Relikt einer vergangenen Zeit, als Feind der Moderne gezeichnet wurde, eine Entscheidung getroffen, die so gut in die Postmoderne zu passen scheint, die doch das Subjekt vergöttert und zum einzig relevanten Maßstab erhebt. Denn auch der Heilige Vater hat seine Entscheidung selbst und in Freiheit getroffen. Doch wo die Postmoderne sich oft damit begnügt, diese Entscheidung als Wert an sich zu würdigen, hat der deutsche Pontifex sie in einen größeren Kontext gestellt. In den Kontext seines Gewissens, in dem es laut Benedikt XVI. Gott ist, der den Menschen anspricht und zu einer Entscheidung in Freiheit herausfordert. Basierend auf dieser Überzeugung hat der zurückgetretene Pontifex mit einer beeindruckenden Konsequenz das eingelöst, was er 1993 zu Papier gebracht hat: »Deshalb muss in der Tat der Toast auf das Gewissen (Anm. d. Autors – Anspielung auf ein berühmtes Zitat Kardinal Newmans) demjenigen auf den Papst vorangehen, weil es ohne Gewissen gar kein Papsttum gäbe. Alle Macht ist die Macht des Gewissens.« Für diese Konsequenz hat Benedikt XVI. sogar den Bruch mit der Tradition des Papstamtes in Kauf genommen. Der Papst aus Bayern, für den die Kontinuität stets ein entscheidendes Merkmal des Glaubens und der Kirche war, er hat diese Kontinuität durchbrochen. Damit ist diese Entscheidung in gewisser Form ebenfalls eine »Ent-Weltlichung«. Indem Benedikt XVI. zwar noch in der Kirche ist, aber nicht mehr von dieser Kirche – er will »im Verborgenen« bleiben und beten – , hat er seinen Dienst an dieser Kirche vollendet.
    Benedikt XVI. hat seinem Nachfolger ein schweres Erbe hinterlassen, in einem doppelten Sinne. Franziskus wird Reformen realisieren und Fortschritt forcieren müssen. Er muss sich den neuen demografischen Gegebenheiten anpassen, neue Gebiete erschließen, ohne dabei alte völlig aufzugeben. Der neue Pontifex muss mehr denn je Brückenbauer sein zwischen Okzident und Orient, Tradition und Moderne, zwischen Revolutionären, Reformern und Reaktionären. Viele Dinge hat Benedikt XVI. angepackt, viele aber auch nicht. Manche Dinge konnte er nicht regeln, manche wollte er nicht oder hat sie überhaupt nicht als dringlich genug empfunden. Das ist die eine Seite des Erbes, das der deutsche Papst hinterlässt. Zur anderen gehören seine Theologie, sein Intellekt, seine pastoralen Fähigkeiten, über die er verfügte, ohne je ein »Pastor« im eigentlichen Sinne, ein volkstümlicher Hirte, gewesen zu sein. Er hat Seelsorge durch die Verkündigung betrieben, besonders durch seine unzähligen Schriften. Die Welt wird diesen Papst aus Marktl am Inn noch in Jahrzehnten und Jahrhunderten lesen, rezipieren und rezitieren. Er hat sich mit dem Wort auf einem Niveau beschäftigt, das nur schwer zu erreichen ist. An seinen Enzykliken, Predigten und natürlich Büchern – ja, denn das ist trotz seiner Vor-Konklave-Predigt etwas, das bleibt – wird man seinen Nachfolger messen. Franziskus muss weder die Qualität noch die Quantität erreichen. Besonders die Quantität war nicht umstritten, der Output Benedikts XVI. wurde von manchen kritisch gesehen, die ihn lieber regieren als schreiben hatten sehen wollen. So wie Benedikt XVI. es nicht vermocht hätte und nicht versucht hat, mit Menschenfischer Johannes Paul II. Schritt zu halten, so ist Franziskus nicht dazu verpflichtet, ein Publizistik-Pontifikat wie sein Vorgänger zu führen. Aber eines ist sicher: Nachdem Benedikt XVI. die Kirche und den Glauben mit seiner modernen Interpretation des alten Diktums »Glaube und Vernunft« salonfähig gemacht hat, im wahrsten Sinne des Wortes, werden besonders die intellektuellen Kreise der Gesellschaft mit Argusaugen auf den Neuen und seine denkerischen Kapazitäten achten.
    Das Erbe Benedikt XVI. ist ein vielschichtiges und facettenreiches. Er

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