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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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Verfassungen der Welt hat. Dem Staatsoberhaupt, dem Präsidenten, ist es untersagt, religiöse Führer zu empfangen oder an religiösen Zeremonien wie heiligen Messen teilzunehmen. Die mexikanische Verfassung trennt strikt zwischen Staat und Kirche; auf dem amerikanischen Doppelkontinent gibt es nur drei weitere Länder, die eine so strenge Trennung vornehmen: Uruguay, Ecuador und Kuba.
    Gerade diese Tatsache, dass der Staat Religionen mit Argwohn betrachtete, ließ Wojtyła in den 80er-Jahren Parallelen zwischen Mexiko und dem von der kommunistischen Partei unterdrückten Polen sehen. In beiden Ländern schien die Bevölkerung äußerst fromm zu sein, während die staatliche Administration der Religion fast feindselig gegenüberstand. Es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass der erste Papst aus Mexiko kommen würde. Weltweit gibt es kein katholischeres Land. In Brasilien leben zwar mehr Katholiken, aber dort ist der Katholizismus in fast unvorstellbarem Ausmaß auf dem Rückzug. In Mexiko existiert dieses Problem so gut wie nicht, die Menschen dort stehen eisern zum Katholizismus.
    Gleich mit drei Spitzenkandidaten für den Thron des Papstes konnte Mexiko aufwarten: Norberto Kardinal Rivera Carrera (* 1942) steht als Erzbischof von Mexiko-Stadt der Diözese mit den weltweit meisten römisch-katholischen Gläubigen (7,5 Millionen) vor. Francisco Kardinal Robles Ortega (* 1949), Erzbischof von Guadalajara, stieg im Oktober 2012 zu einem der drei Präsidenten der Generalversammlung der Bischofssynode auf; damit gehört er zu den angesehensten Bischöfen der Welt. Juan Kardinal Sandoval Íñiguez (* 1933) ist so etwas wie der Patriarch der mexikanischen Kardinäle. Als Nachfolger von Papst Benedikt XVI . schienen weltweit eigentlich keine anderen Kardinäle so geeignet zu sein wie Rivera Carrera oder Robles Ortega – wenn es da nicht das mexikanische Gespenst gegeben hätte: Marcial Maciel Degollado (1920–2008).
    Der Enthusiasmus über die überaus erfreuliche Entwicklung in Mexiko hatte im Rom der 80er- und 90er-Jahre keine Grenzen gekannt, vor allem weil in Mexiko ein sehr frommer und sehr reicher katholischer neuer Orden entstanden war. Der charismatische Priester Marcial Maciel Degollado hatte bereits 1949 den Priesterorden »Legionäre Christi« gegründet. Papst Paul VI . hatte ihn 1965 definitiv anerkannt, Papst Johannes Paul II . förderte die Legionäre, wo er nur konnte. Er stellte den Ordensgründer Maciel Degollado immer wieder als Vorbild heraus und nahm ihn auch auf drei seiner Mexikoreisen mit: 1979, 1990 und 1993. Im Jahr 2004 gratulierte Johannes Paul II . Maciel Degollado noch zu dessen 60-jährigem Priesterjubiläum. Zu dem Zeitpunkt hatte der damalige Chef der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, schon schwere Bedenken gegen den nach Sex gierenden Mexikaner. Die Versuche Ratzingers, Untersuchungen gegen Maciel Degollado einzuleiten, scheiterten am Widerstand des Papstes.
    In Mexiko war damals schon seit Jahrzehnten bekannt, was für ein Sexualverbrecher der angeblich fromme Ordensgründer war. Mehrfach hatten sich von Maciel Degollado missbrauchte Seminaristen an Rom gewandt, um die Verbrechen anzuzeigen, doch man hatte ihnen nicht geglaubt. Die von Benedikt XVI . im Jahr 2005 eingeleiteten Ermittlungen deckten schließlich das Doppelleben von Macial Degollado auf, es übertraf alle Vorstellungen. Er hatte tatsächlich jahrzehntelang Seminaristen missbraucht. Aufgefallen war er schon während seines Studiums in den 40er-Jahren, als er immer wieder aus Priesterseminaren entlassen wurde. Maciel Degollado hatte das stets damit begründet, dass man versucht habe, seine Ordensgründung der »Legionäre Christi« zu verhindern. Die Realität war aber, dass der junge Mann wegen seiner sexuellen Gier und seiner homosexuellen Praktiken aus den Seminaren flog.
    Heute weiß man, dass Maciel Degollado später mit vier Frauen fünf Kinder gezeugt hat. Eines davon beschuldigte seinen Vater, es im Alter von sieben Jahren regelmäßig sexuell missbraucht zu haben. Heute will der Orden mit seinem Gründer nichts mehr zu tun haben. Der über Jahrzehnte gepflegte Personenkult um Maciel Degollado wurde abgeschafft. Doch die Verbreitung der »Legionäre Christi« in Mexiko war so groß, das es auch für die mexikanischen Kardinäle unmöglich war, Abstand zu dem Orden und seinem Gründer zu wahren. Maciel Degollado hatte in Mexiko-Stadt nicht nur eine Schule des Glaubens eingerichtet und sich damit das

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