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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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mich die Geschichte des Emmanuel Milingo auf ganz eigene Weise wieder ein. Ich sprach mit mehreren schwarzen Bischöfen und ein, zwei Kardinälen über die afrikanische Kirche und das Gespenst Milingo, und viele von ihnen waren erstaunt darüber, dass ich Milingo ganz gut gekannt hatte, lange vor seinem Rauswurf aus der katholischen Kirche. Die schwarzafrikanischen Würdenträger fragten mich dann immer das Gleiche: Was denken Sie, war Milingo verrückt?
    Ich versuchte mich dann zurückzuversetzen in die Zeiten, als ich immer wieder mit meiner Vespa zu dem Gebäude des Vatikans in der Nähe der Sant’-Anna-Pforte fuhr, wo Milingo gewohnt hatte. Ich war schon oft in Wohnungen hoher Würdenträger in diesem Gebäudekomplex gewesen. Die Wohnungen glichen sich alle in erstaunlichem Ausmaß. Die Marmorböden waren so sauber gewienert, dass ihr reflektierender Glanz schier die Augen schmerzte. Meistens führte eine Verwandte, die als Hausdame bei dem Bischof oder Kardinal arbeitete, den Haushalt und geleitete den Besucher in einen sparsam eingerichteten Raum, in dem der Würdenträger ihn meist neben einer aufgeschlagenen Bibel empfing. In all diesen Wohnungen ging es ungemein leise und freudlos zu.
    Völlig anders hingegen die Wohnung von Emmanuel Milingo. Für vatikanische Standards war die Wohnung ein einziges Chaos. Das Ganze wirkte wie eine Afro-Wohngemeinschaft. Am meisten irritierte mich, dass Ordensfrauen und -männer in der Wohnung zusammenlebten. Die Frauen kochten in der riesigen Küche eigenartig duftende afrikanische Spezialitäten, auf den Fluren stapelten sich Pappkartons von Afrikanern, die auf der Durchreise waren und aus irgendeinem Grund bei Milingo abgestiegen waren.
    Mein erster Besuch in dieser Wohnung muss zu Beginn der 90er-Jahre stattgefunden haben. Schon damals hatte Emmanuel Milingo die bizarre Angewohnheit, am Telefon, das pausenlos klingelte, den um einen Exorzismus ersuchenden Anrufern Dämonen auszutreiben. Dennoch habe ich ihn keineswegs als einen Verrückten in Erinnerung. Er war ein stolzer Mann, ein Bischof, der vor allem durch eines geprägt war: Er hatte endgültig die Nase voll davon, von der römischen Amtskirche ständig darüber belehrt zu werden, was ein Bischof zu tun und zu lassen hatte. »Sie behandeln einen afrikanischen Bischof hier im Vatikan wie ein kleines Kind, das noch viel lernen muss«, beschwerte er sich damals bei mir. Milingo war felsenfest davon überzeugt, dass die afrikanischen Bischöfe selber wissen müssen, was für die Kirche Afrikas gut ist – und nicht der Papst in Rom. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass diese Haltung Milingos einmal zu einer Vorentscheidung des Konklaves führen würde, das den 265. Nachfolger des heiligen Petrus wählen musste.
    Der Fall Milingo hatte dem Kardinalskollegium gezeigt, welches Potenzial, aber auch welche Gefahren in den Stars der katholischen Kirche Afrikas stecken konnten. Wie groß war der Einfluss von Stammesglauben und -riten und Zauberei tatsächlich in der afrikanischen Kirche? Waren Kardinäle wie etwa der Ghanaer Peter Kodwo Appiah Turkson (* 1948), die in Afrika in einer katholischen Umgebung aufgewachsen waren, wo aber exorzistische und magische Riten noch an der Tagesordnung sind, schon bereit, die Weltkirche zu leiten?
    Vielleicht hätten die Mitglieder des Konklaves, das im März 2013 zusammentrat, die Frage, ob man einem Kardinal aus Afrika die Leitung der römisch-katholischen Kirche anvertrauen darf, nicht so radikal gestellt, wenn der Fall Milingo nicht so katastrophal geendet hätte – und vor allem nicht so drastisch im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Am 27. Mai 2001 heiratete Emmanuel Milingo bei einem Ritus der Moon-Sekte in New York die Koreanerin Maria Sung. Verschiedene Vermittlungsversuche des Vatikans scheiterten. Als Milingo am 24. September 2006 vier verheiratete Priester zu Bischöfen weihte, war es aus. Im Oktober 2007 zog der Vatikan den Diplomatenpass von Emmanuel Milingo ein, am 17. Dezember 2009 erhielt er die Höchststrafe, die für einen Bischof denkbar ist. Er wurde zurückversetzt in den Laienstatus. Ab diesem Tag hatte der Vatikan nichts mehr mit ihm zu tun. Seine Geschichte, die Geschichte des unendlich begabten Hirtenjungen, der es schaffte, zum jüngsten Bischof Afrikas aufzusteigen, dann aber sein eigenes Ding drehte, wird der römisch-katholischen Kirche Afrikas noch lange zu schaffen machen.

Das Hotel der Kardinäle
    Das Konklave, das Papst Franziskus wählen sollte,

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