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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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Auch das Amt des Mailänder Erzbischofs diente seit alters immer wieder als Sprungbrett für das Amt des Papstes. Erzbischof Giovanni Montini bestieg 1963 als Papst Paul VI . den Thron Petri, Erzbischof Giovanni Angelo Medici 1559 als Papst Pius IV. und Umberto Crivelli bereits 1187 als Papst Urban III .
    Angelo Scola hatte eine glänzende Karriere hingelegt, war zunächst Patriarch in Venedig, dann als Erzbischof von Mailand Chef der wichtigsten Diözese Italiens geworden und war von daher gleich doppelt prädestiniert. Angelo Scolas einzige Probleme waren seine Freundschaft zu dem als korrupt geltenden Politiker Roberto Formigoni, dem ehemaligen Präsidenten der Region Lombardei, und sein relativ hohes Alter: Mit 71 Jahren würde der anstrengende Job des Papstes ihn bald viel Kraft kosten. Dass er ein Vertrauter und Schüler von Joseph Ratzinger war, hätte ihm aber nicht geschadet. Es bedeutete, dass er vermutlich ein herzliches und unbelastetes Verhältnis zum Papst a. D. im Vatikan hätte pflegen können.

Kandidaten 2: Die Amerikaner
    Die Kardinäle aus den USA lieferten gleich vom Beginn der Kardinalsversammlungen am 4. März 2013 im Synodensaal der Audienzhalle »Papst Paul VI .« an ein eindrucksvolles Bild der Geschlossenheit: Sie kamen gemeinsam in einem schwarzen Bus an. Die Vertreter der anderen nationalen Gruppen trafen hingegen getrennt ein. Viele Italiener, die als Kurienkardinäle im Vatikan dienten oder dort wohnten, kamen einfach zu Fuß, wie Crescenzio Sepe, der derart von Reportern umringt wurde, dass er fast um Hilfe schrie. Die Deutschen waren auch am zweiten Tag der Kardinalskongregationen, dem 5. März, noch nicht vollständig. Karl Kardinal Lehmann hatte noch einen Vortrag in Deutschland zu halten und sollte erst am dritten Tag der Beratungen zu den Kardinälen hinzustoßen.
    Die Geschlossenheit der US -Kardinäle hatte allerdings auch mit der banalen Gegebenheit zu tun, dass sie im Gegensatz zu den Italienern, die auf Dienstwohnungen rund um den Vatikan in ganz Rom verteilt waren, alle zusammen in dem riesigen Komplex des nordamerikanischen Colleges wohnten, das sich in traumhafter Lage auf dem Gianicolo-Hügel in unmittelbarer Nähe zum Vatikan erhebt. Allerdings sollten die US -Kardinäle durch einen eigenartigen Alleingang ihre Amtskollegen vor den Kopf stoßen und dadurch einen Großteil ihrer Glaubwürdigkeit und ihres Einflusses auf das Kardinalskollegium verlieren. Im Jahr 2005 hat es vor dem Konklave während der Kardinalskongregationen eine klare Regel gegeben: keine Interviews. Die Kardinäle hatten sich zum Großteil an diesen selbst verordneten Maulkorb gehalten. Während der Versammlung der Kardinäle in der Woche ab dem 4. März 2013 gab es keine solche klare Abmachung. Die US -Kardinäle befanden sich in einer außergewöhnlichen Situation. Hunderte amerikanische Journalisten und zahlreiche US -Fernsehsender waren nach Rom gekommen. Der Druck der Medien war immens. Grundsätzlich hatten die US -Kardinäle eine andere Haltung zu den Medien als die meisten ihrer Amtskollegen; sie schätzten das Medieninteresse sehr, während sich vor allem die deutschen Kardinäle hinter einer Mauer des Schweigens abschotteten.
    Die Hintergründe des so anderen Medienverhaltens der US -Kardinäle hatte ich übrigens einmal in einem Interview mit der Tochter von Martin Luther King, der baptistischen Pastorin Bernice King, in den USA erfahren. Während des Papstbesuchs 2008 in New York war Benedikt XVI . auch mit ihr zusammengetroffen. Als ich mit Bernice King nach dem Treffen darüber sprach, war sie voller Neid angesichts der unglaublichen Präsenz des Papstes in den US -Medien. »Ich kann es einfach nicht fassen, dass der Papst auf allen Fernsehkanälen der USA rund um die Uhr zu sehen ist. Eine andere Kirche müsste Abermillionen Dollar für eine solche Medienpräsenz ausgeben. Was die katholische Kirche da demonstriert, ist höchst eindrucksvoll.«
    Den US -Kardinälen war klar, welchen Vorteil das geballte Medieninteresse an der Papstwahl vor allem in ihrem Heimatland bedeutete. Es gab den Kardinälen die Möglichkeit, stundenlang Sendezeit im US -Fernsehen zu bekommen – und das noch völlig gratis. Der gewiefte New Yorker Kardinal Timothy Michael Dolan sprach offen aus, dass er die Anwesenheit von so vielen Journalisten und das große Interesse nutzen wolle. Aus diesem Grund organisierten die US -Kardinäle ein äußerst gut besuchtes Pressebriefing. Sie wollten nach eigenen Angaben

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