Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
»Hintergrundinformationen« liefern und waren bereit, Interviews zu geben.
Dass sie absolutes Stillschweigen geschworen hatten über das, was während der Beratungen der Kardinalskongregationen in der Synodenhalle besprochen wurde, sahen die US -Kardinäle nicht als Hindernis für ein solches Briefing an. Sie wollten über die Haltung der US -Kirche in dieser Situation sprechen, dabei aber das Schweigegelübde respektieren. Das bedeutete, dass es in der Woche der Beratungen der Kardinalskongregationen zwei Pressebriefings gab: ein offizielles des Vatikans, während dessen Papstsprecher Federico Lombardi peinlich genau darauf achtete, kein Wort darüber zu verlieren, was während der Kardinalskongregationen verhandelt worden war. Am Nachmittag fand dann das Briefing der US -amerikanischen Kardinäle statt. Alle anderen Länder hatten auf Pressebriefings verzichtet. Doch der Alleingang der US -Purpurträger stieß auf Verstimmung, denn in den italienischen Tageszeitungen tauchten Einzelheiten darüber auf, was die Kardinäle in den geheimen Beratungen besprochen hatten. Sofort gerieten die US -Kardinäle in Verdacht. Hatten sie, die ein eigenes Briefing anberaumt hatten, auch über den geheimen Teil der Beratungen gequatscht?
Die übrigen Kardinäle hatten das Gefühl, dass ihre US -Kollegen sich als Vertreter einer Supermacht herausnahmen, was ihnen selbst verwehrt war. Deswegen erhöhte der Camerlengo Tarcisio Bertone den Druck auf die US -Kardinäle mit dem Ergebnis, dass sie am 6. März einknickten und das Pressebriefing für den Nachmittag absagten. Die US -Amerikaner gaben zu, dass es »Unstimmigkeiten wegen der Geheimhaltung« gegeben habe. Das bedeutete für die US -Purpurträger eine schallende Ohrfeige: Man traute ihnen nicht. Damit war eine Vorentscheidung für die Papstwahl gefallen: Die US -Kardinäle würden wegen ihres Alleingangs fortan als potenzielle arrogante Besserwisser dastehen, die nicht einmal die Geheimhaltung respektierten und dafür von vielen Kardinälen Verachtung ernteten. Ihre Chancen, einen eigenen Kandidaten durchzubringen, schienen dahin zu sein. Daraufhin änderten die US -Kardinäle ihre Strategie und entschlossen sich, ab jetzt den Ball flach zu halten. Sie wurden gar nicht mehr müde zu betonen, dass sie keinen großen Einfluss auf das Konklave haben wollten. Während der Wahl Jorge Mario Bergoglios sollte sich diese Vorentscheidung als ausschlaggebend erweisen. Die US -Kardinäle versuchten gar nicht erst, einen der Ihren zum Papst zu machen, sondern stärkten von Anfang an Bergoglio.
Die US -Kardinäle bedienten sich als Erste eines neuen Mechanismus, der das Konklave zur Wahl des 266. Papstes prägen sollte, nämlich des Ausschlussverfahrens. Diese Methode war vollkommen neu. Das Konklave, das 2005 Papst Benedikt XVI . gewählt hatte, kannte sie noch nicht. Dass Joseph Ratzinger wieder und wieder betont hatte, dass er auf keinen Fall der nächste Papst werden wollte, hatte keinerlei Konsequenzen gehabt – die Kardinäle wählten ihn ja zum Papst. Doch die Teilnehmer des damaligen Konklaves mussten im Laufe seiner Amtszeit, spätestens aber im Augenblick seines Rücktritts erkennen, dass es keine gute Idee gewesen war, einen Mann zum Papst zu küren, der das Amt auf keinen Fall hatte ausüben wollen. Seine Erklärung vor den Pilgern aus Bayern kurz nach seiner Wahl, in der er diese mit einer Exekution verglich (»als das Fallbeil fiel«), markierte wohl den Beginn eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Kirche. Solch ein Experiment, einen Mann zum Papst zu machen, der klipp und klar sagt, dass er dieses Amt nicht wolle, und der sich im besten Fall aus Pflichtgefühl das Joch dieses Amtes auferlegen würde, wie das Benedikt XVI . getan hatte, würden die Kardinäle nicht noch einmal wagen.
Der erste Kardinal, der das verstand und sofort von dem neuen Ausschlussverfahren Gebrauch machte, war Sean O’Malley aus Boston. Er erklärte dass er »terrorisiert« sei von der Vorstellung, er könne zum nächsten Papst gewählt werden. Der Kapuzinerpater O’Malley hatte einen hervorragenden Ruf, weil er in der Diözese Boston aufgeräumt hatte. Er war nicht davor zurückgeschreckt, seinen eigenen Palast, das Bischofshaus, an das Boston College zu verkaufen, um den Bankrott abzuwehren. Sein Vorgänger, Erzbischof Bernard Francis Law, hatte im Jahr 2002 seine Ämter niedergelegt und war regelrecht nach Rom in den Vatikan geflohen, denn in Boston drohte ihm wegen
Weitere Kostenlose Bücher