Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Vertuschung von Fällen sexuellen Missbrauchs die Festnahme. Er ließ sich einen vatikanischen Diplomatenpass geben, der ihn schützte. Die Wiedergutmachungszahlungen hatten die Diözese an den Rand des Ruins getrieben. Doch trotz aller Verdienste: Mit seiner Erklärung war Sean Patrick O’Malley draußen.
Auch der Star unter den US -Kardinälen, Timothy Dolan aus New York, kokettierte gerne damit, dass er nicht im Traum daran denke, zum Papst gewählt werden zu können. Er verglich seine Chance auf das Amt des Papstes mit der, im Footballteam der New York Yankees eingesetzt zu werden.
Den endgültigen Todesstoß für eine erfolgreiche Kandidatur auch nur eines der US -amerikanischen Kardinäle versetzte der Bischof von Washington, Donald Wuerl, den Purpurträgern seines Landes unmittelbar nach Beginn der Beratungen in der Kardinalskongregation. Er erklärte, dass »ein Papst, der aus der Supermacht USA komme, große Schwierigkeiten haben würde, im Rest der Welt eine spirituelle Botschaft zu überbringen«.
Die Botschaft des Washingtoner Kardinals verstanden seine Kollegen in Rom sofort: Jesus war kein Römer gewesen, kein Mitglied der Supermacht Rom, sondern das Gegenteil: ein Jude, ein »Rabbi« eines Volks, das darniederlag. Jesus hatte keine auch nur irgendwie geartete weltliche Macht innegehabt.
Sosehr die Kardinäle der Kongregation die Position der US -Kardinäle auch schätzten, sosehr konnten viele auch ihre Enttäuschung darüber kaum verbergen, dass die US- Kardinäle sich so offen selber aus dem Rennen warfen, denn einen Vorteil, der in der Kirche eine wichtige Rolle spielt, besaßen sie ohne Zweifel: Geld. Ein US -amerikanischer Papst hätte den unbestreitbaren Vorzug gehabt, in den USA erhebliche Summen auftreiben zu können, die der Weltkirche zugute kämen.
Außer ihrer Finanzkraft gab es noch einen weiteren Grund, dass die US -Kardinäle den nächsten Papst stellen sollten. Sie schienen der ideale Anknüpfungspunkt an die Erfolgsära der katholischen Kirche in jener Zeit zu sein, als der Vatikan noch eng mit den USA verbunden war. William Joseph Levada, ehemaliger Chef der Glaubenskongregation, hatte mir in einem langen Interview erklärt, wie er sich die Zukunft der Kirche vorstelle: »Es gibt viele Menschen in den USA , die das Gefühl haben, dass wir Nordamerikaner zusammen mit der Kirche das Böse besiegt haben. Die amerikanischen Präsidenten, die in Berlin den Fall der Mauer gefeiert haben, wussten, dass sie den Sieg im Kalten Krieg nicht nur der überlegenen Waffentechnik und Wirtschaftsleistung der USA zu verdanken hatten, sondern auch der Kirche.« Für ihn war es sinnvoll, wieder daran anzuknüpfen, wo die USA und der Vatikan mit Ronald Reagan und Karol Wojtyła an der Spitze das von ihnen »Reich des Bösen« genannte Sowjetimperium erfolgreich bekämpft hatten, und so die Kirchenskandale der vergangenen Jahre vergessen zu machen.
Kandidaten 3: Die Deutschen
Eine Spitzfindigkeit sorgte dafür, dass die Zahl der wahlberechtigten deutschen Kardinäle bei sechs lag, die Deutschen stellten damit die drittstärkste Gruppe nach Italien und den USA . Walter Kardinal Kasper war am 5. März 2013 80 Jahre alt geworden. Nach der päpstlichen Konstitution Romano Pontifici eligendo von Papst Paul VI . aus dem Jahr 1975 sind Kardinäle, die das 80. Lebensjahr vollendet haben, von der Papstwahl ausgeschlossen. Kasper hätte somit nicht mehr in das Konklave einziehen können – so sollte man annehmen. Stichdatum ist jedoch nicht der Tag des Beginns des Konklaves, sondern der Tag des Beginns der Sedisvakanz, also der Augenblick, von dem an der Thron des Papstes leer ist. Nun hatte Papst Benedikt XVI . festgelegt, dass die Sedisvakanz ab 28. Februar, 20 Uhr, eintritt. In jenem Augenblick war Kasper aber erst 79 Jahre alt. Deshalb war er berechtigt, an der Papstwahl teilzunehmen, und würde somit als ältester Kardinal in das Konklave einziehen.
Die sechs deutschen Kardinäle waren in einer historisch einzigartigen Situation. Sie kamen aus dem Land, das den letzten Papst gestellt hatte. Gleichzeitig hatte ein Großteil der Gläubigen dieses Landes diesen Papst ebenso wenig haben wollen wie einige der deutschen Kardinäle, aber das ahnten im Vatikan nur die Wenigsten. Die ganze Welt, wie auch mein Freund, der Vatikanexperte Andrea Tornielli, glaubte, dass die deutschen Kardinäle eine äußerst mächtige Gruppe waren. Schließlich hatten sie einen deutschen Papst im Konklave durchgesetzt. Aber
Weitere Kostenlose Bücher