Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
leisten.
Die deutschen Kardinäle kämpften also bei der Vorbereitung des Konklaves mit dem Umstand, dass zwar ein Papst aus Deutschland die Kirche regiert, dass er aber gar nicht viel Zustimmung aus Deutschland bekommen und deutsche Kircheninteressen nicht wirklich wahrgenommen hatte. Deshalb wollten sie im Konklave einen Kandidaten unterstützen, der die deutschen Anliegen verstand: Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien.
Kandidaten 4: Die Afrikaner
Als größter Verlierer der beginnenden Beratungen erwies sich der Chef des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, Peter Kodwo Appiah Kardinal Turkson aus Ghana. Da nutzte es ihm auch nichts, dass er mit dem eigenen Dienstwagen kam, den er in Rom leidenschaftlich gern selber fuhr. Turkson ruinierte seine Chancen, der erste schwarze Papst der Geschichte zu werden, in einem Fernsehinterview mit einem US -Sender. Darin erklärte er, dass die afrikanische Kultur, die traditionell Homosexualität ächte und »jede Affäre zwischen den Gleichgeschlechtlichen« nicht gutheiße, genau deswegen den afrikanischen Kontinent vor Kindesmissbrauch bewahrt habe. Diese Behauptung war wissenschaftlich unhaltbar und blanker Unsinn, weil längst nachgewiesen ist, dass Homosexualität und Kindesmissbrauch zwei völlig verschiedene Dinge sind. Sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Männer können sich von Kindern angezogen fühlen. Dieses Interview sollte Turksons Chance zunichte machen – der Kandidat Afrikas war damit aus dem Rennen.
Kandidaten 5: Die Lateinamerikaner
Ein großer Teil der italienischen Presse schien vollständig davon überzeugt zu sein, dass es im Konklave nur zwei Möglichkeiten geben würde: Entweder würden sich die mächtigen Kardinäle der Kurie durchsetzen, unterstützt von den 28 italienischen Kardinälen, oder aber es würde ein Kardinal aus Lateinamerika gewählt. Die italienischen Vaticanisti schienen sich auch darin einig zu sein, wer das sein sollte: der brasilianische Kardinal Odilo Pedro Scherer.
Der Brasilianer galt aus mehreren Gründen als idealer Kompromisskandidat: Zuerst einmal stammte er aus Lateinamerika, also aus dem Teil der Welt, in dem die meisten Katholiken dieser Erde leben. Bereits Papst Paul VI . hatte Lateinamerika den Kontinent der Hoffnung genannt. Scherer hatte sich in São Paulo um die Armen gekümmert. Aber gleichzeitig war er auch mit der Kurie in Rom nur allzu vertraut. Als Mitglied der Kongregation für die Bischöfe kannte er zahlreiche seiner Amtskollegen rund um die Welt – ein eindeutiger Vorteil für ihn. Was gegen Scherer sprach und ihm das Leben schwermachen konnte, war seine derzeitige Position im Aufsichtsrat der Vatikanbank Istituto per le Opere di Religione ( IOR ). Die Befragung des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone durch die Kardinäle während der Kongregationen vor dem Konklave hatte eindeutig gezeigt, wie verärgert die angereisten Kardinäle darüber waren, dass die katholische Kirche wegen der illegalen Geldgeschäfte der Bank ihren Ruf ruinierte. Scherer wurde natürlich nicht allein für das Desaster verantwortlich gemacht, er hatte es aber auch nicht verhindert. Dass ausgerechnet Scherer, der offensichtlich zugelassen hatte, dass in der Vatikanbank vieles schieflief, der richtige Papst sein sollte, um aufzuräumen, erschien vielen Kardinälen zweifelhaft.
Und dann gab es noch den zweiten Lateinamerikaner: Jorge Mario Kardinal Bergoglio, den Erzbischof von Buenos Aires. Die italienische Presse räumte ihm keinerlei Chancen ein, aus zwei Gründen: zu alt und zu krank. Bergoglio war 76 Jahre alt. Hatte nicht Joseph Ratzinger seinen Rücktritt damit begründet, dass seine Kräfte nicht mehr ausreichten? Johannes Paul II . hatte das Papstamt drastisch verändert, Päpste mussten seitdem viel mehr arbeiten als früher. Sich ein paar Mal im Jahr auf der Loggia des Petersdoms zu zeigen reichte schon lange nicht mehr aus. Ein 76-Jähriger, dem zudem ein Teil des rechten Lungenflügels entfernt worden war, schien keine Chance zu haben.
Einen Mann wie Bergoglio zu wählen käme zudem einem eindeutigen Affront gegen die römische Kurie gleich. Denn mit der hatte sich Bergoglio bekanntlich immer wieder heftig gestritten. Seine Wahl würde bedeuten, dass er alles umkrempeln würde. Papst Benedikt XVI . hatte ihn besonders herzlich während des letzten Treffens mit den Kardinälen verabschiedet. Bergoglio war der einzige ernsthafte Gegner Ratzingers beim Konklave im Jahr 2005
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