Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
zu Joseph Ratzinger und dessen Ansichten pflegt, als Chef der Glaubenskongregation behalten will. Wie nah dieser dem ehemaligen Papst steht, zeigt auch, dass Müller im Auftrag Ratzingers dessen Gesamtwerk herausgibt. Das Regensburger Institut »Benedikt XVI .« wird diese Gesamtausgabe in 16 Bänden vorbereiten. Es wird Zweifel daran geben, ob Müller die Glaubenskongregation im Sinne des neuen Papstes oder aber doch im Sinne seines hoch verehrten Vorgängers Ratzinger führen wird. Über dem Haupt des Präfekten der Glaubenskongregation schwebt also ein Damoklesschwert.
Der Präfekt übt eine eminent wichtige Funktion aus: Er ist weltweit zuständig für die Aufklärung der Fälle sexuellen Missbrauchs, in die Priester und Ordensleute verwickelt waren. Müller selbst machte unangenehme Erfahrungen in dieser Sache. Als Bischof von Regensburg setzte er einen Kaplan, der wegen sexuellen Missbrauchs eines Messdieners verurteilt worden war, im Jahr 2004 als Pfarradministrator in einer anderen Gemeinde ein, ohne diese über das Vorleben des Geistlichen zu informieren. Dort wurde der Mann erneut straffällig, kam in Untersuchungshaft und wurde schließlich zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Bischof Müller entschuldigte sein Vorgehen damals damit, ihm sei vom Gericht zugesichert worden, dass der Mann auch wieder in der Nähe von Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden könne. Unangenehm war der Fall trotzdem. Zumindest musste sich Müller vorwerfen lassen, nicht vorsichtig genug gewesen zu sein.
Einem Bischof vor Ort konnte so etwas passieren, aber wie sehr würde dieser Fall die Arbeit des Präfekten der Glaubenskongregation erschweren? Was sollte er entgegnen, wenn ihm im Fall eines Disputs mit einem Bischof wegen eines Missbrauchsverdachts vorgeworfen würde, selbst in seiner eigenen Diözese einen Sexualstraftäter nicht aus dem Verkehr gezogen zu haben? Erleichtern würde es die Ausübung seines Amtes nicht. Als Präfekt wird Gerhard Ludwig Müller weltweit absolut korrektes Verhalten der Bischöfe einfordern müssen, wenn es zu Vorwürfen gegen Priester wegen sexueller Vergehen kommt. Papst Franziskus wird jetzt entscheiden müssen, ob Müller der richtige Mann für dieses wichtige Amt ist.
Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI . kam übrigens so überraschend, dass Gerhard Ludwig Müller vorher nicht einmal zum Kardinal befördert worden war – ein Titel, den die meisten Präfekten der Glaubenskongregation bisher innegehabt haben. Müller war also nicht ins Konklave eingezogen.
Eine andere Schlüsselposition scheint für Papst Franziskus ausgezeichnet besetzt zu sein: das Amt des Chefs der Kongregation für die Bischöfe, das der kanadische Kardinal Marc Ouellet ausübt. Ouellet hatte bisher keine Fehler gemacht bei dem schwierigen Job, auf den frei werdenden Bischofsposten in aller Welt die richtigen Männer einzusetzen. Er hat zudem den Vorteil, dass er mit dem letzten großen Eklat seiner Kongregation nichts zu tun hatte, sondern als Retter in der Not gekommen war. Im Jahr 2006 hatte der Vorgänger von Marc Ouellet, Kurienkardinal Giovanni Battista Re, einen schweren Fehler begangen: Ausgerechnet das angesehene Amt des Erzbischofs von Warschau hatte Papst Benedikt XVI . auf Anraten von Kardinal Re mit dem polnischen Priester Stanisław Wojciech Wielgus besetzt. In Polen war damals schon bekannt, dass Wielgus im Verdacht stand, mit dem Staatssicherheitsdienst des kommunistischen Regimes zusammengearbeitet zu haben. Dennoch wurde Wielgus zum Bischof geweiht – und legte sein Amt nach Bekanntwerden des Skandals zwei Tage später am 7. Januar 2007 schon wieder nieder. Nach einer Schonfrist entließ Benedikt XVI . Kardinal Re, der diesen schwerwiegenden Fauxpas nicht verhindert hatte.
Der Saubermann Quellet hatte seitdem alle Stolpersteine umgangen. Für Papst Franziskus wird Ouellet allein schon deshalb eine große Rolle spielen, weil er die Fraktion anführen wird, die eine Globalisierung der katholischen Kirche vorantreiben will. In einem Interview mit der Tageszeitung Avvenire , die der Italienischen Bischofskonferenz gehört, sagte Ouellet, dass es für seine Kongregation für die Bischöfe nicht gut gewesen sei, dass die drei wichtigsten Chefs der Kurie – Kardinalstaatssekretär, Präfekt der Glaubenskongregation, Präfekt der Kongregation für die Bischöfe – lange Zeit immer Italiener gewesen seien. Eine Internationalisierung bekäme der katholischen Kirche gut.
Das Konklave
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