Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
gewesen. Auf den Jesuiten soll damals gut ein Drittel aller Stimmen, also etwa 40, entfallen sein, bis er plötzlich die Kardinäle bat, ihn nicht mehr zu wählen.
Hoffen und Bangen in der Kurie
Der Rücktritt Papst Benedikts XVI . und das anstehende Konklave lösten auch innerhalb der Kurie eine gewisse Panik aus. Die Kurienkardinäle trieben jetzt nur noch zwei Fragen um: Wer würde die Reform der Kurie überleben, und wer würde gefeuert werden?
In einem Punkt hatte Joseph Ratzinger seinem Nachfolger einen großen Dienst erwiesen: Die Besetzung des nach dem Papst zweitwichtigsten Amtes im Vatikan, des Postens des Kardinalstaatssekretärs, war dadurch leichter geworden, dass der Amtsinhaber Tarcisio Bertone zur Zeit des Rücktritts von Papst Benedikt XVI . bereits 78 Jahre alt war. Damit hatte er das Höchstalter der Kurienkardinäle um drei Jahre überschritten. Mit Vollendung des 75. Lebensjahres ist normalerweise Schluss im Vatikan. Zwar kann der Papst eine Verlängerung von einem oder zwei Jahren gewähren – was er auch oft tut –, aber ein 78-jähriger Kardinal kann kaum darauf hoffen, dass der Papst ihn in seinem Amt bestätigen wird. Maximal lässt der Neue ihm noch ein paar Monate Zeit, damit der Amtsinhaber sein Büro räumen und den Nachfolger einarbeiten kann.
Die Neubesetzung dieses Amtes sollte für Papst Franziskus kein Problem darstellen. Ganz anders ist es jedoch mit dem nächstwichtigsten Amt, dem des Präfekten der Glaubenskongregation. Papst Benedikt XVI . hatte erst am 2. Juli 2012 einen seiner engsten Vertrauten, Gerhard Ludwig Müller, den ehemaligen Erzbischof von Regensburg, auf diesen Posten berufen. Beim Rücktritt Papst Benedikts XVI . war Müller für Vatikanstandards altersmäßig eine Nachwuchskraft, gerade erst einmal 65 Jahre alt. Hinsichtlich seiner Befähigung zu diesem Amt gab es kaum Zweifel, Müller war bereits am 20. Dezember 2007 zum Mitarbeiter der Glaubenskongregation ernannt worden. Müllers Problem ist ein anderes: seine extreme Nähe zu Joseph Ratzinger.
Bei seiner Bischofsweihe am 24. November 2002 hatte Gerhard Ludwig Müller ausgerechnet den Titel einer der umstrittensten Schriften von Joseph Ratzinger zum Motto seines Bischofsamtes gewählt: »Dominus Iesus«. Joseph Ratzinger hatte sie im Jahr 2000 veröffentlicht und damit einen heftigen Konflikt ausgelöst. Der Präfekt der Glaubenskongregation hatte darin erklärt, dass die evangelischen und lutherischen Kirchen nach katholischem Verständnis gar keine Kirchen, sondern lediglich kirchliche Gemeinschaften seien. Es gebe nur eine Kirche, und das sei die katholische, die sich auf Jesus Christus als ihren Gründer beruft, so Ratzinger. Daraufhin kam es zu einem Eklat: Der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Christian Krause, sagte die bereits zugesagte Teilnahme am ökumenischen Abschlussgottesdienst des Heiligen Jahres, der Anfang 2001 im Beisein von Papst Johannes Paul II . in Rom in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern stattfand, wieder ab.
In den Jahren zuvor hatte es so ausgesehen, als wäre es zu einem Durchbruch in den Beziehungen zwischen den lutherischen und evangelischen Kirchen einerseits sowie der katholischen Kirche andererseits gekommen. In Augsburg hatten Christian Krause für den Lutherischen Weltbund und Edward Idris Kardinal Cassidy für die katholische Kirche am 31. Oktober 1999 die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnet. Das war zweifellos ein Meilenstein in den Beziehungen der Konfessionen, aber die Erklärung Joseph Ratzingers, die evangelischen Kirchen seien gar keine Kirchen, empfanden viele Lutheraner als herabwürdigend.
Nach katholischem Kirchenverständnis war das, was Joseph Ratzinger geschrieben hatte, ein alter Hut, aber der Ton macht nun einmal die Musik. War es wirklich notwendig, dass die katholische Kirche nach einer zwischenzeitlichen Aussöhnung den evangelischen und lutherischen Kirchen unter die Nase reiben musste, dass sie angeblich gar keine Kirchen waren?
Ausgerechnet für den Titel dieser Schrift hatte sich Gerhard Ludwig Müller also entschieden. Müller war in seinen verschiedenen Ämtern auch als Chef einer Kommission für die Ökumene in Deutschland verantwortlich. Von katholischer und von evangelischer Seite gab es immer wieder Kritik, dass Müllers konservative Positionen das Aufeinanderzugehen der Kirchen nicht unbedingt erleichtern würden.
Papst Franziskus muss jetzt also entscheiden, ob er einen Mann, der eine so starke Nähe
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