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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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»Eligo in Summum Pontificem« (»Ich wähle zum Papst«). Die Kardinäle saßen während der Wahl so eng nebeneinander, dass der eine oder andere von ihnen wohl gesehen hat, welchen Namen sein Nachbar auf den Zettel schrieb. Dort stand auch schon der Tisch, an dem die drei Kardinäle sitzen würden, die die Wahl beaufsichtigten, die jedes Mal die Schale über der Wahlurne hoben, wenn ein Kardinal seinen Wahlzettel hineinwarf. Dabei musste er laut den Schwur deklamieren: »Testor Christum Dominum, qui me iudicaturus est, me eum eligere, quem secundum Deum iudico eligi debere.« (»Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden sollte.«)
    Der Wortlaut dieses Schwurs verdeutlicht, welch so ganz anderer Geist in so einem Konklave waltet. Normalerweise geht es bei einer richtigen Wahl immer darum, dass der Wähler eine Wahlentscheidung trifft. Doch nicht so in einem Konklave. Die Meinung des einzelnen Kardinals spielt überhaupt keine Rolle, er muss vielmehr den wählen, den Gott erkoren hat. Die Kardinäle geben also streng genommen nicht ihren Wahlzettel ab, sondern handeln im Namen Gottes.
    Die Kardinäle wissen, dass ihnen aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr als fünf Wahltage bevorstehen, kein Konklave des vergangenen Jahrhunderts hat länger gedauert. Die Wahl Pius’ XI. 1922 hatte fünf Tage in Anspruch genommen und 14 Wahlgänge gebraucht. Um 1958 Johannes XXIII . zu wählen, waren elf Wahlgänge in vier Tagen erforderlich. Drei Tage und zehn Wahlgänge benötigten die Kardinäle 1914 für die Wahl Benedikts XV., ebenfalls drei Tage und nur acht Wahlgänge 1978 für die Wahl Johannes Pauls II . Schneller ging es bei Johannes Paul I. 1978: Nach zwei Tagen und vier Wahlgängen hatte er es geschafft. Aber sein Vorgänger Paul VI . hatte ihm bei einem Besuch in Venedig auch seine Stola um den Hals gelegt, was als klares Zeichen gewertet wurde, dass er sich ihn als Nachfolger wünschte. Zügig verlief auch die Wahl von Benedikt XVI . im Jahr 2005: Nach zwei Tagen und vier Wahlgängen stand der Mann aus Bayern als Papst fest. Den Rekord im 20. Jahrhundert hält Pius XII ., auf den sich die Kardinäle bereits nach zwei Tagen und drei Wahlgängen einigten. Jetzt waren die 115 Kardinäle des Konklaves an der Reihe, die sich auf den 265. Nachfolger des heiligen Petrus einigen mussten.
    Es war eine bunte Schar, die da in die Sixtinische Kapelle zum ersten Wahlgang einzog. Angeführt wurde sie von Giovanni Battista Re, der dem nobelsten der drei Orden der Kardinäle, den Kardinalbischöfen, am längsten angehörte. Kardinal Re übernahm die Rolle des Dekans der Kardinäle, weil sowohl der Dekan selbst, Angelo Kardinal Sodano, als auch dessen Vize, Roger Kardinal Etchegaray, bereits älter als 80 Jahre alt waren und deshalb nicht ins Konklave einziehen durften. Es würde also Giovanni Battista Kardinal Re zufallen, am Ende des Konklaves die berühmteste aller Fragen zu stellen: »Acceptasne electionem de te canonice factam in Summum Pontificem?« (»Akzeptierst du die kanonische Wahl zum Papst?«)
    Re wusste um die Macht der 28 italienischen, der elf US -amerikanischen und ebenso der sechs deutschen Kardinäle. Diese drei größten nationalen Gruppen stellten allein 45 Kardinäle bei der Papstwahl. Wenn dieser Block geschlossen votierte, konnte er einen Papst aus dem Rest der Welt verhindern. Denn für die Wahl eines Papstes war eine Zweidrittelmehrheit notwendig, also mindestens 77 Stimmen, die Kardinäle aus den anderen Ländern kamen aber nur auf 70 Stimmen. Aus Spanien stammten fünf wahlberechtigte Kardinäle, jeweils vier aus Polen und Frankreich, zwei aus Portugal, jeweils einer aus Österreich, Belgien, der Schweiz, den Niederlanden, Irland, Tschechien, Bosnien-Herzegowina, der Ukraine, Litauen, Kroatien und Slowenien. Insgesamt stellten die Europäer genau 60 Kardinäle. Wäre der schottische Kardinal nicht aus Scham zu Hause geblieben, wären es 61 gewesen. Brasilien entsandte fünf Kardinäle, Mexiko drei, Argentinien zwei und Kolumbien, Venezuela, Chile, die Dominikanische Republik, Kuba, Honduras, Peru, Bolivien und Ecuador jeweils einen. Hinzu kamen noch drei Kardinäle aus Kanada. Insgesamt war der amerikanische Doppelkontinent, auf dem die Mehrheit der Katholiken der Welt lebt (600 Millionen von 1,1 Milliarden), mit 33 Kardinälen vertreten.
    Aus Afrika stammten elf Kardinäle, und zwar jeweils einer aus

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