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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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Mich interessierte jeder Aspekt am katholisch-jüdischen Dialog, mir imponierte deswegen dieser Kardinal aus Buenos Aires, der vom Staat Israel für sein Engagement ausgezeichnet worden war, und das in einer Zeit, in der es noch nicht einmal diplomatische Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan gab. Ich hatte Pater Evelio mitgenommen, damit er übersetzen konnte, in der Hoffnung, dass Kardinal Antonio Quarracino mit mir reden wollte.
    Pater Evelio gab mir eine Einführung: »Diese beiden Bischöfe, Kardinal Quarracino und Jorge Bergoglio, sind ganz dicke Freunde. Bergoglio hat eine unglaubliche Karriere gemacht, er schien schon völlig erledigt zu sein, und dann wurde er auf einmal Weihbischof von Buenos Aires und zog an den Konkurrenten vorbei, weil Kardinal Quarracino ihn so schätzt. Verstehst du, Bergoglio ist Jesuit!«
    »Ja und?«, sagte ich. Der junge schlanke Pater mit dem dichten schwarzen Haar verdrehte die Augen. »Mein Gott, du hast wirklich keine Ahnung von der Kirche. Jesuiten sind nicht dazu da, um Bischöfe zu werden. Es gibt nur sehr, sehr wenige Jesuiten, die Bischöfe sind. Jesuiten sind für etwas anderes da. Sie dienen in besonderen Missionen und sind die einzigen Patres, die ein besonderes Gehorsamsgelübde gegenüber dem Papst ablegen. Sie geloben also nicht wie alle anderen Priester nur Gehorsam, Armut und Keuschheit. Ein Jesuit kann keine Karriere in der Kirche machen. Das Höchste, was ein Jesuit erreichen kann, ist, dass er Chef der Jesuiten oder in seinem Heimatland Provinzial wird. Das war Bergoglio schon, aber dann hat der Orden ihn abgeschoben in irgendein Haus für geistige Exerzitien.«
    »Und wieso?«
    »Er hat den Orden modernisiert, und das hat vielen nicht gepasst.«
    »Und dann?«
    »Dann war er eigentlich erledigt, aber aus irgendeinem Grund hat Kardinal Quarracino in ihm irgendetwas gesehen. Verstehst du, er hat die anderen Kandidaten, die nicht Jesuiten waren, also eigentlich deshalb Weihbischöfe hätten werden sollen, abgewiesen und Bergoglio geholt. Wahrscheinlich weil Bergoglio sich so radikal für die Armen einsetzt, das muss Kardinal Quarracino imponiert haben.«
    Ich musste ein Lachen unterdrücken. »Sag mal, willst du mich auf den Arm nehmen? Dieser Kardinal da soll diesen Bergoglio schätzen, weil der sich für die Armen einsetzt? Hast du sie noch alle? Weißt du, was das Abendessen, das der Herr Kardinal sich da gerade gönnt, kostet?«
    »Sie sind sehr unterschiedliche Typen«, wich Pater Evelio aus. »Quarracino ist jemand, der gerne gut isst, gerne trinkt – na ja, und in Argentinien ist er halt auch dafür bekannt, dass er andauernd Witze über Schwule reißt, üble Witze.«
    »Wie bitte?«, fragte ich. Mein strahlendes Bild von Kardinal Quarracino bekam langsam Risse.
    Pater Evelio entging das nicht: »Na ja, er ist eben Argentinier, wir tanzen Tango, eine Frau ist eine Frau und ein Mann ein Mann, so sehen das eben viele. Aber sein Einsatz für die Aussöhnung mit den Juden ist wirklich großartig. Du kannst ihn nicht wegen einiger Witze gleich verurteilen.«
    Ich kannte einige Homosexuelle in Rom und schätzte sie, und mir gefiel es gar nicht, wenn sie jemand diskriminierte. Aber deswegen war ich nicht hier, ich wollte mit Quarracino über den Vatikan und das Judentum reden.
    »Bergoglio ist ganz anders«, fuhr Pater Evelio fort, »er sagt immer, dass er Menschen respektiert, auch homosexuelle Menschen natürlich. Keine Ahnung, wie er es trotzdem geschafft hat, von Kardinal Quarracino ins Herz geschlossen zu werden. Vielleicht hat es damit zu tun, dass er Jesuit ist.«
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    Wieder schnaufte Pater Evelio: »Die Jesuiten haben Lateinamerika gemacht. Sie waren so erfolgreich und so mächtig, dass Papst Clemens XIV. den Orden aufheben ließ.«
    Damals auf der Terrasse, während Kardinal Antonio Quarracino aus Buenos Aires es sich schmecken ließ, bekam ich zum ersten Mal eine Ahnung davon, was es für einen Mann wie Jorge Mario Bergoglio bedeuten musste, Jesuit zu sein. Der baskische Soldat Ignatius von Loyola (1491–1556) hatte den Orden 1539 gegründet, bereits 1540 wurde dieser von Papst Paul III . anerkannt. Ignatius hatte nach einer Kriegsverwundung seine Karriere als Soldat an den Haken hängen müssen und war ein Mann Gottes geworden. Seinen Orden hatte er so aufgebaut, dass die Mitglieder sich als Soldaten des Herrn sahen. Deswegen bekamen sie auch gleich den gefährlichsten Job, den es zu vergeben gab in der Kirche:

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