Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
dem Kongo, aus Guinea, Ägypten, Kenia, dem Senegal, Sudan, Ghana, Südafrika und Tansania sowie zwei aus Nigeria. Aus Asien waren ebenfalls elf Kardinäle zugegen, darunter bildeten die Inder die größte Gruppe mit fünf Kardinälen; die Philippinen, Vietnam, Indonesien, der Libanon, China und Sri Lanka stellten jeweils einen Kardinal. Ausgerechnet auf dem Heimatkontinent von Jesus, in Asien, spielt die katholische Kirche noch immer nur eine marginale Rolle – nicht einmal sechs Prozent der Einwohner Asiens sind Katholiken. Australien/Ozeanien repräsentierte nur ein Kardinal, George Pell. Insgesamt waren es 115 Kardinäle. Als sie in die Sixtinische Kapelle einzogen, wussten sie, dass sie einem von ihnen das Schicksal aufbürden würden, das umzusetzen, was ihnen ein völlig mittelloser Rabbi in Judäa und Galiläa vor 2000 Jahren aufgetragen hatte, ein Mann, der keine Sixtinische Kapelle besaß, nicht einmal Sandalen an den Füßen trug. Ein Mann, der der Welt erklärt hat, dass es kein größeres Gebot gibt, als seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst.
Gemessen an den Strapazen früherer Konklaven war der Ablauf des Konklaves 2013 relativ bequem. Morgens ging es zu einer für christliche Verhältnisse relativ zivilen Zeit los: Frühstück gab es ab 6.30 Uhr, aber erst um 7.45 Uhr mussten die Kardinäle im Bus sitzen. Um 8.15 Uhr begann die Frühmesse in der wunderschönen, von Michelangelo ausgemalten Cappella Paolina, um 9.15 Uhr zogen die Kardinäle in die Sixtinische Kapelle ein. Um 12.30 Uhr war vorläufig Schluss, das Mittagessen wartete, das um 13 Uhr serviert wurde. Anschließend stand bis 16 Uhr erst mal nichts auf dem Programm, denn die älteren Herren wollten auf eines nicht verzichten: ihr Mittagsschläfchen. Die Kardinäle hatten dann Zeit und Muße, in ihren Zimmern bequem auszuruhen. Nachmittags ging es erst um 16.45 Uhr mit dem Bus wieder zur Sixtinischen Kapelle. Dem Gesuch einiger Kardinäle, zu Fuß zu gehen, um etwas frische Luft zu schnappen, wurde stattgegeben. Nach den zwei Wahlgängen am Nachmittag beteten die Kardinäle um 19.15 Uhr die Vesper, bevor das Abendmahl um 20 Uhr den Tag beendete. Es sollte nur ein einziges Abendessen der Kardinäle im Konklave ohne Papst geben, denn am zweiten Abend erlebten die Kardinäle eine Revolution.
Der argentinische Jesuit
Terrasse des Hilton-Hotels in Rom, irgendwann Mitte der 90er-Jahre: Ich sah die Gruppe der Argentinier in ihrem schwarzen Priester-Outfit in das unendlich elegante und ebenso unendlich teure Restaurant des exquisitesten römischen Hotels hoch über der Stadt kommen. Noch war der deutsche Drei-Sterne-Koch Heinz Beck nicht Chef des Restaurants, aber vorzüglich dinieren ließ es sich hier damals schon. Pater Evelio, ein argentinischer Priester, den ich beim Fußballspielen am Circus Maximus kennengelernt hatte, zeigte diskret auf die Gruppe und flüsterte mir ins Ohr:
»Das ist er, siehst du, der große Mann. Kardinal Antonio Quarracino, Erzbischof von Buenos Aires. Er kommt immer hierher ins Hilton-Hotel, wenn er in Rom ist. Er hat in Argentinien einen Mann als Nachfolger aufgebaut, von dem viele sprechen. Er heißt Bergoglio.«
»Wie heißt der?«, fragte ich.
»Ber-go-glio. Jorge Mario Bergoglio.«
Ich war damals keineswegs zum Essen in das Hotel gekommen. Das hätte ich mir gar nicht leisten können, mein Budget reichte für ein paar Bier auf der Hotelterrasse. Aber ich hatte einen Tipp bekommen, dass Kardinal Antonio Quarracino in dem Hotel sein würde, und ich wollte ihn kennenlernen. Der grobe Plan war, dass ich den Kardinal nach dem Abendessen, wenn er angeheitert und guter Stimmung sein würde, anspräche und ein Interview bekäme. Mich interessierte der Kardinal von Buenos Aires aus einem ganz simplen Grund: Papst Johannes Paul II . schätzte ihn sehr wegen seines großartigen Engagements beim Prozess der Aussöhnung mit den Juden.
Ich gehöre zu der Generation, die in der Schule die Bilder der Bulldozer gesehen hat, welche in den KZ s die Leichenberge in die Gräben schoben. Und auch ich war danach nach Hause gegangen, um meine Eltern fassungslos zu fragen: Wie konntet ihr so etwas tun? Ich werde mich mein Leben lang dafür schämen, dass meine Großmutter, die nicht weit weg von Auschwitz lebte, für ein wenig Wasser oder ein Stück Brot wertvolle Decken von jüdischen Gefangenen eintauschte. Diese waren auf Lastwagen zusammengepfercht, die vor ihrer Tür hielten, wenn die SS-Soldaten sich erfrischen wollten.
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