Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Kandidat galt tatsächlich als ein Heiliger.
Sollte dann doch ein Wunschnachfolger eingesetzt werden, bemäntelte der Vatikan diese Aktion immer dadurch, dass der Kandidat nicht in der Stadt zum Bischof geweiht wurde, für die er eigentlich vorgesehen war, sondern erst in einer anderen. Wenn dann eine gewisse Schamfrist verstrichen war, wurde er an das gewünschte Ziel versetzt. Das wurde eigentlich immer so gehandhabt. Nur wenn Johannes Paul II . sich absolut sicher war, dass der Kandidat ohne die geringste Einschränkung perfekt war und zusätzlich im Ruf stand, ein Heiliger zu sein, gab er nach und setzte den Nachfolger direkt und ohne Umwege in der Stadt des Bischofs ein, der sich diesen Nachfolger gewünscht hatte. Genau das geschah im Fall des Jorge Mario Bergoglio. Er wurde am 3. Juni 1997 zum Koadjutor-Erzbischof ernannt, was bedeutete, dass er automatisch Kardinal Quarracino nachfolgen würde.
Bergoglio hatte also tatsächlich einen exzellenten Ruf, und Kardinal Quarracino, dem die Juden so am Herz lagen, hatte tatsächlich einen guten Draht zu Karol Wojtyła gehabt. Dieser hatte immer wieder erzählt, zugesehen zu haben, wie seine jüdischen Kindheitsfreunde am Samstag in die Synagoge zogen und wie es ihm das Herz gebrochen hatte, dass so furchtbar viele von ihnen durch das von den Deutschen geschaffene riesige Tor in der Hölle auf Erden verschwanden.
Bergoglio und die Theologie der Befreiung
»Bergoglio«, flüsterte Pater Marcello in den schmutzigen Jeans und dem ausgeleierten Pullover. Er lehnte mit seinem Stuhl gegen eine Wand in einem illegalen Kloster in Havanna. »Er heißt Jorge Mario Bergoglio.«
»Wie heißt er noch mal?«, flüsterte ich zurück.
Ungeduldig antwortete der Pater: »Ber-go-glio. Jorge Mario Bergoglio. Er ist Argentinier. Mit ihm musst du sprechen.«
»Ich habe seinen Namen schon mal irgendwo gehört«, sagte ich. »Hat ihn nicht Antonio Kardinal Quarracino zu seinem Nachfolger in Buenos Aires gemacht?«
»Genau der«, antwortete der Pater. Es war kalt in jenem Januar 1998 auf Kuba. Kälter, als ich mir Kuba hätte vorstellen können. Ein Mann hatte mich in Rom kontaktiert, und ich hatte wie gefordert ein Riesenpaket mit Schmerzmitteln und Antibiotika in die Papstmaschine geschmuggelt. Papst Johannes Paul II . war auf die Insel gekommen, um Fidel Castro abzutrotzen, dass auf Kuba das Weihnachtsfest wieder gefeiert werden durfte. Angeblich störte es die Zuckerrohrernte. Wenn die Menschen zu Hause des Tages gedachten, an dem eine Frau in einem Stall in Bethlehem ein Kind gebar, das so anders sein sollte als alle anderen Kinder, die es je zuvor gegeben hatte und danach je wieder geben sollte, riskierten sie Gefängnis. Karol Wojtyła wollte dieses Verbot um jeden Preis kippen und besuchte deswegen die Insel.
Ich hatte die Medikamente zwischen Hemden und Hosen in einem separaten Koffer versteckt, bei der obligatorischen Durchsuchung des Gepäcks der Papstmaschine waren die Kisten den Zollbeamten nicht aufgefallen. Ich hatte nach der Ankunft in meinem Hotel in Havanna nur eine Stunde warten müssen, bis ich erfuhr, wohin ich kommen sollte. Ich sollte vorsichtig sein und darauf warten, dass es dunkel würde. Die Polizei ahnte möglicherweise, dass das Haus in Wirklichkeit ein Kloster ist. Wenn sie mich erwischten bei dem Versuch, Medikamente in das Kloster zu bringen, konnte es Ärger geben. Ich sollte mit dem Taxi in einen Außenbezirk von Havanna fahren und den Rest zu Fuß gehen, so hatte es mir Don Pasquale ausrichten lassen. Eine Straßenbeleuchtung gab es in Havannas Außenbezirken nicht. Es war bald stockdunkel, ich stolperte zu dem Haus, in das mich ein misstrauisch dreinblickender Mann hineinließ. Man führte mich in die Krankenstation, und was ich dort sah, war erschütternd. Männer, die Ärger mit dem Regime Kubas hatten und deswegen in staatlichen Krankenhäusern nicht behandelt wurden, bekamen hier medizinische Hilfe. Weil es an allem fehlte, mussten die Ärzte selbst dann die Bäuche aufschneiden, wenn es keine Schmerzmittel gab.
Die Patres bedankten sich, ich bekam in ranzigem Öl gegrillte salzige Bananenscheiben, die furchtbar schmeckten. Für die Patres schien es ein Festessen zu sein, und ich lobte das Bananenzeugs. Wir setzten uns in einer Art Innenhof auf durchgesessene Campingstühle und unterhielten uns. Ich wollte alles wissen über ihre Vorstellungen von der Kirche und vor allem über die Theologie der Befreiung.
Wer die Männer da in ihren
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