Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
so aussehen, wie sehen denn dann die nichtkatholischen Mädchen aus?«
»Wir sind eben in Brasilien«, flüsterte ich zurück. Er verschwand, und ich ging auf die Gruppe Männer zu. Bei ihnen stand der Mann, der Jorge Mario Bergoglio sein musste. Ich hoffte damals nur, dass er mir würde sagen können, wo ich Kardinal Hummes finden konnte. Es war nicht so, dass ich Bergoglio nicht kennenlernen wollte, aber ich hatte mir halt in den Kopf gesetzt, mit Hummes zu sprechen. Dass dieser Mann vor mir, Jorge Mario Bergoglio, eines Tages Papst sein würde, hätte ich damals auch nur im Entferntesten nicht für möglich gehalten. Ebenso wenig, dass es ausgerechnet sein Freund Cláudio Hummes sein sollte, der den Anstoß dazu gab, dass sich Bergoglio schließlich Papst Franziskus nennen würde. Beim Treffen mit Journalisten am 16. März 2013 sollte der 266. Papst erzählen, wie er zu dem Namen Franziskus gekommen war: »Bei der Wahl saß neben mir der emeritierte Erzbischof von São Paulo und frühere Präfekt der Kongregation für den Klerus, Cláudio Kardinal Hummes – ein großer Freund. Als die Sache sich etwas zuspitzte, hat er mich bestärkt. Und als die Stimmen zwei Drittel erreichten, erscholl der übliche Applaus, da der Papst gewählt war. Und er umarmte, küsste mich und sagte mir: ›Vergiss die Armen nicht.‹ Und da setzte sich dieses Wort in mir fest: die Armen, die Armen. Dann habe ich sofort in Bezug auf die Armen an Franz von Assisi gedacht. Ich habe an die Kriege gedacht, während die Auszählung voranschritt. Und Franziskus ist der Mann des Friedens. So ist mir der Name ins Herz gedrungen: Franz von Assisi.«
Für mich gab es damals einen simplen Grund, warum ich unbedingt mit Kardinal Hummes sprechen wollte. Er hatte bereits im Oktober 2005 eine höchst ernüchternde Bilanz darüber gezogen, dass sich das größte katholische Land der Welt, Brasilien, in atemberaubendem Tempo von der katholischen Kirche abwandte: »In Brasilen sinkt die Zahl der Katholiken durchschnittlich um ein Prozent pro Jahr. 1991 bekannten sich in Brasilien noch 83 Prozent der Einwohner zur katholischen Kirche, heute sind es nur noch 67 Prozent. Wir fragen uns voller Angst: Wie lange wird Brasilien eigentlich noch ein katholisches Land sein?« Die Befürchtungen Hummes’ sollten sich bewahrheiten. Nur zwei Jahre später, im Jahr 2007, als ich Hummes anlässlich der Brasilienreise des Papstes unbedingt in Aparecida treffen wollte, war der Anteil der römisch-katholischen Gläubigen in Brasilien um weitere zwei Prozent auf 65 Prozent gesunken. Das Ausmaß des Desasters hat Papst Benedikt XVI . damals regelrecht geschockt. In absoluten Zahlen bedeutete das, dass die katholische Kirche 1991 auf noch etwa 170 Millionen Katholiken in Brasilien hatte zählen können, 20 Jahre später waren es rund 50 Millionen weniger. In nicht einmal einer Generation hatte die katholische Kirche in Brasilien etwa ein Viertel ihrer Gläubigen verloren.
Es gab aber noch einen weiteren Grund, Kardinal Hummes zu kontaktieren: Er war im Oktober 2006 zum Chef der Kongregation für den Klerus berufen worden. Unmittelbar vor seinem Abflug aus Brasilien nach Rom erklärte er, dass die Ehelosigkeit der Priester nicht unbedingt und für alle Zeiten weiterbestehen müsse. Dann stieg er ins Flugzeug. Was mich regelrecht umhaute, war nicht das, was danach geschah, sondern wie schnell es geschah. Papst Benedikt XVI . wollte nicht einmal die Spekulation über die Abschaffung des Zölibats dulden. Ich erfuhr nur zufällig davon, weil ich im Gästehaus der Kardinäle, dem »Domus Sanctae Marthae«, auf einen Besucher wartete. Ich stand in der Halle herum, als ich sah, dass ein Bekannter von mir eine wichtige Depesche aus dem Staatssekretariat, und zwar die Weisung, direkt zum Papst zu kommen, für Cláudio Hummes abgab. Ich ging zu meinem Bekannten hin und flüsterte ihm zu: »Sag mal, wieso beruft ihr denn Hummes ein, der ist doch noch in der Luft und gar nicht gelandet.« Er flüsterte zurück: »Der Papst ist so sauer, dass Hummes, ausgerechnet der neue Chef für die Priester, den Zölibat infrage stellt. Er wird nicht einmal Zeit haben, seinen Koffer abzustellen, bevor er sich schon den ersten Rüffel eingefangen hat.«
Deshalb also wollte ich mich unbedingt mit Kardinal Hummes unterhalten. Ich wusste, dass er mir nichts sagen würde, was man veröffentlichen konnte – zumindest damals noch nicht –, aber ich wollte wissen, wie er mit der Rüge umgehen würde,
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