Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
erträglicher zu gestalten.
In diesen Jahren der Ära Menem, von 1989 bis 1999, gehen Politik und Kirche in Argentinien, also maßgeblich Menem und das Duo Quarracino/Bergoglio, ein enges Bündnis ein. Beide Seiten haben ein Interesse an einer Aussöhnung der argentinischen Gesellschaft nach der Katastrophe der Militärdiktatur. Beide haben auch ein Interesse daran, das Schicksal der Ärmsten zu verbessern. Prinzipiell sehen sich Menem und Bergoglio in der Tradition Juan Domingo Peróns, des Begründers des argentinischen Sozialstaats.
Am 28. Februar 1998 stirbt Antonio Kardinal Quarracino, Jorge Mario Bergoglio wird sein Nachfolger. Für Bergoglio ist der Tod Quarracinos ein schmerzlicher Verlust, der auch das Ende einer Epoche einleitet. 1999 wird Menem abgewählt, und damit ist auch diese weitgehend harmonische, positive Phase der Kooperation von Staat und Kirche Geschichte. Menem wurde im Nachhinein der Korruption bezichtigt – nach allem, was man heute weiß, war er keineswegs so sauber, wie er sich verkaufte. Als Bilanz bleibt, dass er die Wirtschaft stabilisierte und zusammen mit dem Duo Quarracino/Bergoglio die nationale Aussöhnung voranbrachte und Versuche unternahm, die schlimmsten Formen sozialen Elends zu lindern.
Zwischen den Jahren 1999 und 2003 wechseln sich in wirtschaftlich chaotischen Zeiten verschiedene Regierungen ab, bis ein Newcomer die Szene betritt: Nestor Kirchner, ein Politiker aus der Provinz. Im Jahr 2003 tritt Carlos Menem bei der Stichwahl gegen Kirchner gar nicht erst an, er weiß, dass er verlieren würde. Am 25. Mai 2003 legt Kirchner seinen Amtseid als Präsident ab. Auch Kirchner sieht sich als Peronist den sozialen Visionen Peróns verpflichtet. Es gelingt ihm, die Wirtschaft Argentiniens anzukurbeln, sie wächst so schnell wie diejenige Chinas, teilweise bis zu zehn Prozent pro Jahr. Doch das Geld verschwindet wie immer in den Taschen der Reichen. In Argentinien lebt noch immer etwa ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und ist auf die Hilfe der Kirche angewiesen. Auf der Lateinamerika-Konferenz der Bischöfe 2007 in Aparecida wird Bergoglio sagen: »Wir leben in dem Teil der Welt, in dem es am meisten soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit gibt, in dem die Armut weiter gewachsen ist. Sie hat eine Situation der sozialen Sünde geschaffen, die zum Himmel schreit und die es so vielen unserer Brüder unmöglich macht, ein erfülltes Leben zu leben.« Im Jahr 2002 hatte Bergoglio die Politiker heftig angegriffen und gesagt: »Wir dürfen nicht das traurige Schauspiel derer anschauen, die nicht mehr wissen, was sie noch alles vorlügen sollen, und die sich dadurch unterscheiden, dass sie vor allem ihre Privilegien behalten wollen, ihren Geiz und ihren durch Unehrlichkeit erworbenen Reichtum.«
Bergoglio erkennt durchaus an, dass es Nestor Kirchner gelingt, die Wirtschaft Argentiniens zu stabilisieren, aber er registriert auch, dass die Armen vom Aufschwung in Argentinien nicht viel haben. Am 10. Dezember 2007 tritt Cristina Fernández de Kirchner das Amt des Präsidenten an, ihr Mann hat zugunsten von ihr auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Das Paar Kirchner verlässt sich mit Erfolg auf die eigenartige Vorliebe der Argentinier für die Gattinnen des Präsidenten. Aus irgendeinem Grund gibt es hier ein starkes Bedürfnis, die Frau des Präsidenten zu verehren oder an der Macht zu sehen. Hegen die Argentinier eine verborgene Sehnsucht nach einer Königin? Eva Perón hatte ihren Mann Juan Domingo ungeheuer populär gemacht, dessen dritte Frau Isabel Perón war 1974 bis 1976 die erste Präsidentin Argentiniens.
Jetzt ist Cristina Fernández de Kirchner an der Reihe. Auch sie versteht sich als Nachfolgerin in der Tradition der sozialistischen Ideen Juan Domingo Peróns, aber sie betrachtet die Kirche nicht als wichtigen Partner und Verbündeten, wie Carlos Menem dies tat. Sie will ein anderes Argentinien. Sie träumt von einer Modernisierung des Landes und einem Wirtschaftsmodell, das dem erfolgreichen chinesischen nicht ganz unähnlich ist. Sie will eine Wirtschaft aufbauen, die in Teilen vom Staat kontrolliert wird.
Von ihrem Amtssitz in der Casa Rosada in Buenos Aires aus kann sie den Sitz des Erzbischofs sehen, den Bergoglio inzwischen geräumt hat, um sich eine kleine Wohnung zu nehmen. Eine Ordensfrau als Haushälterin lehnt er ab, ab und zu kommt eine Putzfrau, die er gut bezahlt. Den Rest der Hausarbeit – kochen, waschen, putzen – übernimmt Jorge
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