Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Schulterkragen, die Mozzetta, und die Schärpe mit dem aufgestickten Wappen. An seiner Hand trägt er etwas Revolutionäres: den ersten Fischerring eines Papstes, den schon ein Vor-Vorgänger benutzt hat. Es ist der leicht geweitete Fischerring Papst Pauls VI . Papst Franziskus hatte ihn sich während der Amtseinführungsmesse am 19. März anstecken lassen. Nicht einmal das Zeichen seiner Würde als Erzbischof von Rom, das Pallium, eine Art Stola aus Schafswolle, ist neu: Er nahm einfach eines von denen, die schon Benedikt XVI . angelegt hatte. Der hatte sich bei seinem Amtsantritt neue, an die Päpste des Mittelalters erinnernde, besonders lange Pallien machen lassen.
An der Brust von Papst Franziskus hängt das schlichte Eisenkreuz, das er schon als Erzbischof trug. Ratzingers Kreuz hingegen ist weitaus prächtiger. Franziskus verzichtet auf die roten Schuhe der Päpste und trägt seine alten schwarzen Schuhe, die er aus Buenos Aires mitgebracht hat. Beide tragen weißen Talar und den Pileolus, ein Käppchen, als Zeichen eines geweihten Bischofs. Statt sich an den gedeckten Mittagstisch zu setzen, lassen sich die beiden Päpste in die Kapelle des Päpstlichen Palastes von Castel Gandolfo bringen, um zu beten. Dort will Joseph Ratzinger seine Demut vor dem Nachfolger demonstrieren: Er hat eine Gebetsbank vor dem Altar für den Papst aufbauen lassen und eine weitere für sich selber weiter hinten.
Sobald die beiden älteren Herren die Kapelle betreten, gibt Joseph Ratzinger seinem Nachfolger ein Zeichen. Dort vorn solle er niederknien, dort, wo die eigens für ihn aufgestellte Gebetsbank steht. Aber Franziskus will nicht, er geht auf Ratzinger zu. Der »Papst emeritus« ist überrascht, noch einmal bedeutet er seinem Nachfolger, nach vorn zu gehen. Doch Franziskus winkt ab. »Ich komme zu Ihnen nach hinten«, sagt er und kniet sich neben Ratzinger auf dieselbe Bank. Später wird er sagen: »Wir sind doch Brüder.«
Ganz offensichtlich hatte der ehemalige Papst Benedikt XVI . die Bilder aus dem Hotel der Kardinäle nicht gesehen: Papst Franziskus hatte sich schon in der Kapelle des Hotels währen der Gebete immer ganz nach hinten gesetzt. Auch beim Abendessen im Speisesaal des Hauses der heiligen Martha hatte er sich geweigert, sich einen Ehrenplatz geben zu lassen, und sich dort niedergelassen, wo gerade etwas frei war.
Nach dem Gebet in der Kapelle treffen sich die beiden Päpste zu einem 45-minütigen Vier-Augen-Gespräch. Es geht um die Übergabe der Regierungsgeschäfte. Der »Papst emeritus« hat alle Unterlagen, die noch in seinem Besitz sind, zusammenstellen und für den neuen Papst vorbereiten lassen. Es ist der letzte Akt von Joseph Ratzinger, der noch mit Regierungsgeschäften zu tun hat. Als Papst Franziskus um 14.42 Uhr zurück in den Vatikan fliegt, weiß er, dass er jetzt allein an der Reihe ist.
Ostern 2013: Neue Töne im Vatikan
Wie Papst Franziskus in der Osternacht den Mittelgang des Petersdoms hinunter zur Vorhalle vor das Holzkohlebecken schreitet, um dort die Osterfeierlichkeiten zu begehen, ist ein weiteres Zeichen der Revolution, die dieser Papst auslösen sollte: Franziskus trägt bei diesem Anlass lediglich sein einfaches, weißes Messgewand, das er aus Argentinien mitgebracht hatte. Unfassbar! Eine niederschmetternde Botschaft für die Kurie: Jorge Mario Bergoglio lässt sich durch den Vatikan nicht verbiegen. Seinen Vorgänger Papst Benedikt XVI. hatten die Zeremonienchefs bereits an weit weniger hohen Kirchenfesten in unendlich prachtvolle Gewänder gesteckt, die seit über 100 Jahren in der Sakristei der Päpste im Vatikan geschlummert hatten. Die Umhänge waren genäht worden, als die Päpste noch Territorialfürsten waren und es noch einen Kirchenstaat gab. Sie waren mit so vielen Goldfäden durchwirkt und so schweren Smaragden geschmückt, dass Benedikt XVI. es nach einer Kniebeuge am Altar häufig nicht einmal schaffte, aus eigener Kraft aufzustehen. Jetzt kam ausgerechnet in der Osternacht ein Papst im prächtigen Petersdom daher, der gekleidet war wie ein Dorfpfarrer. Die schlimmsten Befürchtungen der Kurienkardinäle hatten sich bewahrheitet: Jorge Mario Bergoglio scheint ernst zu machen, er will tatsächlich eine andere Kirche als die, die bisher einen Skandal nach dem anderen produzierte und sich dabei auch noch unbekümmert und mit allem Pomp und Prunk feierte.
Nach der Wahl hatten viele Kardinäle die Hoffnung gehegt, dass Bergoglio schon noch zur Vernunft kommen
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