Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
würde, wenn er nach den ersten Wochen in Rom massiven Widerstand verspürte. Er würde einsehen, dass der Sitz des Thrones Petri in Rom etwas ganz anderes ist als seine hinterwäldlerische Pfarrei in Buenos Aires, die in einem Kontinent liegt, von dem die Päpste noch nicht einmal Kunde hatten, als ihr Amt bereits knapp 1500 Jahre existierte. Bergoglio müsste sich doch verbiegen lassen – aber dass er das tatsächlich nicht zulassen würde, zeigt nun der Auftakt der Osterfeierlichkeiten.
Schon der Gründonnerstag war eine Katastrophe für die Kurie. Der Gottesdienst am späten Nachmittag zur Erinnerung an das letzte Abendmahl gehört zu den feierlichsten Messen im Kirchenjahr. Es ist der Tag, an dem der jeweilige Papst bisher immer demonstrierte, wie wichtig ihm seine Priester waren. Denn es sind die Priester der Diözese Rom, zwölf an der Zahl, denen der Heilige Vater am Gründonnerstag die Füße wäscht, wie dies einst Jesus bei seinen Aposteln getan hatte.
Doch Papst Franziskus hatte mit dieser Tradition gebrochen und durchgesetzt, dass er in dem Jugendgefängnis Casal del Marmo die Füße von Häftlingen wusch. Für die konservativen Kreise ein Skandal, der viele im Vatikan vor Zorn beben lässt: Der Papst wusch nicht ehrwürdigen Priestern die Füße, sondern jungen Dieben, Betrügern, Drogenhändlern. Aber es kam noch schlimmer: Der Papst schreckte nicht einmal davor zurück, zwei Mädchen – und noch dazu zwei muslimischen –, die in dem Jugendknast einsitzen, die Füße zu waschen. Manche in der Kurie fragen empört: Ist der Heilige Vater verrückt geworden? Jesus wusch die Füße doch den Aposteln, und die waren allesamt Männer! Am letzten Abendmahl hat keine Frau teilgenommen, deshalb sind doch wohl alle Priester in der katholischen Kirche Männer – und jetzt das! Was soll denn jetzt als Nächstes kommen? Das Frauenpriestertum?
Am schlimmsten wiegt die Rechtfertigung der Verteidiger des Papstes: Bergoglio habe in Argentinien am Gründonnerstag schon öfters Frauen die Füße gewaschen. Das ist er, der springende Punkt: Wen kümmerte es denn, was Bergoglio in Buenos Aires getan hatte? Jetzt aber ist er in Rom, hat sich an die hiesigen Regeln zu halten und muss es sich abschminken, den prunkvollen Vatikan daran erinnern zu wollen, dass alles mit dem völlig mittellosen Jesus von Nazareth angefangen hat. Doch Papst Franziskus denkt nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. Er mahnt den Vatikan in seiner Osterpredigt, dass die Kirche sich auf die Seite der Armen und Kranken stellen muss, und nutzt den Segen »Urbi et Orbi« – wenn ein Großteil der Welt am Ostersonntag auf den Vatikan schaut –, um zu demonstrieren, dass ein neuer Wind weht. Er bricht mit der vor Jahrzehnten eingeführten Tradition, in über 60 Sprachen der ganzen Welt frohe Ostern zu wünschen. Was er zu sagen hatte, hat er gesagt. Seiner Diözese Rom hat er auf Italienisch frohe Ostern gewünscht. Er respektiert, dass die Menschen auf der Welt, die nicht an einen christlichen Gott glauben, nicht einen Papst brauchen, der ihnen frohe Ostern wünscht. Die muslimischen Großmuftis wünschen ja schließlich auch nicht in allen möglichen Sprachen ein frohes Ende des Ramadan.
Die Welt schaut an diesem Ostertag fasziniert auf den Vatikan und den neuen Papst. Es ist ganz einfach, zu verstehen, was diesen Zauber ausmacht, der plötzlich über das Reich der Päpste gekommen ist. Denn es hat einst einen Mann gegeben, der gepredigt hat: Selig sind die, die Frieden stiften, selig sind die Barmherzigen, selig sind die, die nach Gerechtigkeit dürsten. Und dann hat er noch ein Gebot erlassen: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Und jetzt ist ein Mann gekommen vom »Ende der Welt«, der will das tatsächlich umsetzen. Jahrhundertelang haben die Päpste diese Botschaft gekannt und nicht im Traum daran gedacht, sie umzusetzen. Der Vatikan hat so viele Päpste erlebt, die niemals auf die Idee gekommen wären, barmherzig zu sein. Man denke etwa an Leo X. , den Medici-Papst, der so viel Geld verprasste, dass er Ablassbriefe verkaufen musste. Oder an Alexander VI. , der es für verrückt gehalten hätte, Frieden zu stiften, und stattdessen die Kriege seines unehelichen Sohnes Cesare Borgia finanzierte. Oder an Nikolaus V., der Gerechtigkeit zu üben für irre gehalten hätte, weil er für gutes Geld den Portugiesen auch die geistliche Legitimation zur Versklavung der Afrikaner erteilte.
So lange hatten die Päpste die Botschaft des
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