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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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aus Plastik, von irgendeiner Fabrik in Kalkutta ausgespuckt, sondern aus Glas aus Österreich, von Wichteln im Schwarzwald geschliffen: Der ganze schwarze Tüll ist mit diesen kleinen, sternförmigen Steinchen besetzt. Das Gesicht der Queen Supreme ist der Mond im Nachthimmel, der sich über mich beugt und mir einen Gutenachtkuss gibt. Mein Hotelzimmer ist dunkel, und der Fernseher am Fußende meines Bettes ist eingeschaltet, so dass die handgefertigten Sterne in allen Farben funkeln, die das Fernsehen uns zu zeigen versucht.
    Seth hat recht, das Fernsehen macht mich wirklich zu Gott. Ich kann jedem beim Leben zusehen, und die Biographien wechseln alle Stunde. Hier in der realen Welt ist das nicht immer der Fall.
    »Ich werde dich immer lieben«, sagt die Königin des
Nachthimmels, und ich weiß, welche Postkarte sie gefunden hat.
    Die Hotellaken fühlen sich genauso an wie die im Krankenhaus. Es sind jetzt Tausende von Kilometern, seit wir uns kennengelernt haben, und Brandys große Finger streichen noch immer die Decken glatt unter der Stelle, wo mal mein Kinn war. Mein Gesicht ist das Letzte, dem die Go-Go-Boys und -Girls begegnen wollen, wenn sie sich in eine dunkle Gasse schleichen, um Drogen zu kaufen.
    Brandy sagt: »Wir kommen wieder, sobald wir alles losgeworden sind.«
    Seths Umriss steht in der offenen Tür zum Flur. Was ich da von meinem Bett aus sehe, ist die fantastische Gestalt eines Superhelden vor dem neongrünen, grauen und rosa Tropenlaub auf der Flurtapete. Sein Mantel, dieser lange schwarze Ledermantel, den Seth trägt, liegt bis zur Taille eng an, dann weitet er sich nach unten, so dass man vom Umriss her glauben könnte, es wäre ein Umhang.
    Und vielleicht tut er ja nicht nur so als ob, wenn er Brandy Alexanders königlichen Hintern küsst. Vielleicht sind die beiden ja schwer verliebt, wenn ich nicht dabei bin. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich ihn verliere.
    Das von schwarzen Schleiern umrahmte Gesicht, das sich über mich beugt, ist überraschend bunt. Die Haut um den Plumbagomund zeigt viel Rosa, und die Augen sind allzu aubergine. Selbst diese Farben sind mir jetzt zu knallig, zu gesättigt, zu intensiv. Grell, reißerisch. Man fühlt sich an Comicfiguren erinnert. Modepuppen haben so eine rosa Haut, wie Plastikbandagen. Fleischfarben. Zu auberginefarbene Augen, die Wangenknochen mit Rusty-Rose-Rouge zu sehr betont. Nichts mehr bleibt der Fantasie überlassen.

    Vielleicht wollen Männer das so. Ich will nur, dass Brandy Alexander geht.
    Ich will Seths Gürtel um meinen Hals haben. Ich will Seths Finger in meinem Mund, seine Hände sollen meine Knie auseinanderdrücken und seine nassen Finger in mich eindringen.
    »Wenn du etwas zu lesen haben willst«, sagt Brandy, »das Buch von Miss Rona Barrett liegt in meinem Zimmer. Ich kann es dir holen.«
    Ich will so wundgescheuert sein von Seths Bartstoppeln, dass es wehtut, wenn ich pinkeln muss.
    Seth sagt: »Kommst du?«
    Eine ringgeschmückte Hand wirft die Fernsehfernbedienung aufs Bett.
    »Komm jetzt, Prinzessin«, sagt Seth. »Die Nacht wird nicht jünger.«
    Und ich will, dass Seth tot ist. Schlimmer als tot, er soll fett und aufgedunsen sein von Wasser, unsicher und weinerlich. Wenn Seth mich nicht will, will ich ihn auch nicht wollen.
    »Falls die Polizei kommt oder sonst irgendwas passiert«, teilt mir der Mond mit, »das Geld ist in meinem Schminkkoffer.«
    Die Person, die ich liebe, ist schon losgegangen, um das Auto warmlaufen zu lassen. Die Person, die mich immer lieben wird, sagt: »Schlaf schön«, und macht die Tür hinter sich zu.
     
    Springt lange Zeit zurück, als Manus, mein Verlobter, der mich hat sitzen lassen, Manus Kelley, der Polizist, mir erklärte, dass Eltern wie Gott sind, weil man gerne weiß, dass sie irgendwo sitzen und da sind, und man sich
wünscht, dass sie unser Leben gutheißen, aber trotzdem ruft man sie nur an, wenn man in der Klemme steckt und irgendetwas braucht.
     
    Springt zurück zu mir im Bett in Seattle, allein mit der Fernbedienung, ich drücke den Einschaltknopf und lasse den Fernseher laufen, ohne Ton.
    Im Fernsehen sitzen drei oder vier Leute in Sesseln auf einer niedrigen Bühne vor Studiopublikum. Sieht aus wie ein Infomercial, aber als die Kamera die einzelnen Personen heranzoomt und in Nahaufnahme zeigt, erscheint über der Brust der betreffenden Person eine kleine Schrifteinblendung. Jedes Mal steht da ein Vorname, gefolgt von drei oder vier Wörtern, als wären sie der Nachname,

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