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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ist, fragt Brandy Alexander nie nach meinem wirklichen Namen. Dem Namen, mit dem ich geboren bin. Miss Hat-die-Hosen-an gibt mir sofort einen neuen Namen, eine neue Vergangenheit. Sie erfindet eine neue Zukunft für mich, ohne alle Verbindungen, außer zu ihr, einen Kult ganz für sich.
    »Dein Name ist Daisy St. Patience«, teilt sie mir mit. »Du bist die verschollene Erbin des Hauses St. Patience, führend in der Haute Couture, und diese Saison machen wir Hüte«, sagt sie. »Hüte mit Schleiern.«
    Ich frage sie: »Jsjssjf ciacb sxi?«
    »Du stammst aus dem Geblüt geflüchteter französischer Aristokraten«, sagt Brandy.
    »Gwdcn aixa gklgfnv?«
    »Du bist in Paris aufgewachsen und in eine von Nonnen geleitete Schule gegangen«, sagt Brandy.
    Hart arbeitende, planvolle Stylistin, die sie ist, zieht Brandy Alexander auch schon Tüll aus ihrer Handtasche, rosafarbenen Tüll und Spitze und Häkeldeckchen, und hängt mir das alles über den Kopf.
    Sie sagt: »Du brauchst kein Make-up. Du brauchst dich nicht mal zu waschen. Ein guter Schleier ist gleichwertig mit einer gespiegelten Sonnenbrille, nur eben für den ganzen Kopf.«
    Ein guter Schleier ist das Gleiche, wie zu Hause zu bleiben, erklärt mir Brandy. Weltabgeschieden. Zurückgezogen. Sie wirft mit reinem gelbem Chiffon. Sie drapiert
rot gemustertes Nylon über mich. In einer Welt wie der unseren, wo alles Schulter an Schulter lebt und die Leute auf den ersten Blick wissen, was mit dir los ist, ist ein guter Schleier die getönte Fensterscheibe deiner Limousine. Die Geheimnummer für dein Gesicht. Hinter einem guten Schleier kannst du wer weiß wer sein. Ein Filmstar. Eine Heilige. Ein guter Schleier sagt:
    Wir sind uns gar nicht richtig vorgestellt worden.
    Du bist der Preis hinter Tür Nummer drei.
    Du bist die Dame oder der Tiger.
    In unserer Welt, in der niemand mehr ein Geheimnis wahren kann, sagt ein guter Schleier:
    Danke für Ihr DESinteresse .
    »Keine Sorge«, sagt Brandy. »Andere Leute werden die leeren Stellen ausfüllen.«
    Genauso, wie sie es mit Gott machen, sagt sie.
    Ich habe Brandy nie erzählt, dass ich in der Nähe einer Farm aufgewachsen bin. Einer Farm, auf der Schweine gezüchtet wurden. Daisy St. Patience kam jeden sonnigen Nachmittag von der Schule nach Hause und musste erst mal mit ihrem Bruder zusammen die Schweine füttern.
    Gib mir Heimweh.
    Blitz.
    Gib mir nostalgische Kindheitserinnerungen.
    Blitz.
    Wie sagt man für das Gegenteil von Glamour?
    Brandy fragte nie nach meinen Eltern, ob sie noch lebten oder nicht, oder warum sie nicht hier waren, um mit den Zähnen zu knirschen.
    »Dein Vater und deine Mutter, Rainier und Honoraria St. Patience, wurden von Modeterroristen ermordet«, sagt sie.

    Seinerzeit, v. Br., vor Brandy, brachte mein Vater jeden Herbst seine Schweine auf den Markt. Sein Geheimnis ist, dass er den ganzen Sommer lang mit seinem Pritschenwagen durch Idaho und die anderen Eckstaaten oben links kutschiert und bei jeder Bäckerei anhält, die abgelaufene Sachen abzugeben hat: Obsttörtchen, Kuchen mit cremiger Füllung, kleine Stücke Biskuitkuchen, mit Sprühsahne gefüllt, und brockenweise »Devil’s Food Cake«-Schokoladentorte, bedeckt mit Marshmallow und geraspelter, rosa gefärbter Kokosnuss. Alte Geburtstagstorten, die nicht verkauft wurden. Abgestandene Kuchen, die Herzlichen Glückwunsch sagen. Alles Gute zum Muttertag. Sei mein Valentinsschatz. Mein Vater bringt das alles nach Hause, als dicke klebrige Klumpen oder in Zellophan eingeschweißt. Das ist das Mühseligste an der Angelegenheit, Tausende von alten Snacks aufzumachen und sie den Schweinen vorzuwerfen.
    Mein Vater, über den Brandy nichts wissen wollte, sein Geheimnis ist es, die Schweine in den letzten zwei Wochen, bevor sie auf den Markt kommen, mit diesen Torten, Kuchen und Snacks zu füttern. Da ist null Nährstoff drin, und die Schweine schlingen das Zeug weg, bis es im Umkreis von fünfhundert Meilen keinen Snack mit überschrittenem Haltbarkeitsdatum mehr gibt.
    In diesen Snacks stecken keine echten Ballaststoffe, und daher kommen in jedem Herbst alle diese Dreihundert-Pfund-Schweine mit einer Neunzig-Pfund-Extraladung im Dickdarm auf den Markt. Mein Vater verdient ein Vermögen bei der Auktion, aber irgendwann danach, wenn die Schweine ins Schlachthaus kommen und sehen, was aus ihnen werden soll, kacken sie vor Schreck einen riesigen zuckrigen Haufen.

    Ich sage: »Kwvne wivnuw fw sojaoa.« »Nein«, sagt Brandy, hebt ihren

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