Fratze - Roman
fahre, weg von Evies brennendem Haus. Im Rückspiegel von Manus’ Fiat Spider wird Evies Haus ein immer kleineres Lagerfeuer. Der pfirsichrosa Saum von Evies Morgenmantel klemmt in der Autotür, und die Straußenfedern peitschen mich in der kühlen Nachtluft, die mir über die Frontscheibe des Kabrios um die Ohren weht.
Ich rieche total nach Rauch. Das Gewehr auf dem Beifahrersitz zielt auf den Boden.
Von der Liebesfracht im Kofferraum ist kein Wort zu hören.
Und es gibt nur noch einen Ort, wo ich hinkann.
Ausgeschlossen, dass ich beim Fernamt anrufe und mich mit Brandy verbinden lasse. Die Telefonistin würde mich nicht verstehen. Also sind wir jetzt auf dem Weg in die Stadt, zum Congress-Hotel.
Springt dahin, wo das ganze Geld der Rhea-Schwestern von einer Puppe namens Katty Kathy kommt. Auch das hat mir Brandy zwischen vorgetäuschten Orgasmen in der
Praxis der Sprachtherapeutin erzählt. Sie ist eine Puppe, Katty Kathy ist eine dieser ellenlangen fleischfarbenen Puppen mit unmöglichen Maßen. Als echte Frau hätte sie 115-40-65, Katty Kathy könnte absolut nichts von der Stange kaufen. Ihr habt diese Puppe auch schon gesehen. Man kauft sie nackt in Blasenfolie für einen Dollar, aber ihre Klamotten kosten ein Vermögen, so realistisch ist sie. Man kann ungefähr vierhundert winzige modische Einzelteile für sie kaufen, aus denen sich drei geschmackvolle Kombinationen zusammenfügen lassen. Auf diese Weise ist die Puppe unglaublich lebensecht. Ungeheuer sogar.
Die Idee hatte Sofonda Peters. Sie hat Katty Kathy erfunden, das Modell gebastelt, die Puppe verkauft, die ganzen Verträge gemacht. Aber Sofonda ist praktisch mit Kitty und Vivian verheiratet, deswegen ist das Geld für sie alle.
Der Clou an Katty Kathy ist, dass sie sprechen kann, aber statt einer Schnur kommt ihr eine kleine goldene Kette aus dem Rücken. Man zieht daran, und sie sagt:
»Dieses Kostüm ist wirklich schön, ich meine, es soll doch so aussehen, oder?«
»Dein Herz ist meine Piñata.«
»Hast du vor, das anzuziehen?«
»Ich fände es gut für unsere Beziehung, wenn wir mit anderen Leuten ausgehen würden.«
»Küsschen, Küsschen.«
Und: »Nicht meine Haare anfassen!«
Die Rhea-Schwestern haben einen Haufen Kohle gemacht. Allein Katty Kathys kleine Bolerojacke, diese Jacke lassen sie für zehn Cent das Stück in Kambodscha nähen und verkaufen sie hier in Amerika für sechzehn Dollar. Die Leute bezahlen das.
Springt zu mir, wie ich den Fiat mit meiner Liebesfracht im Kofferraum in einer Nebenstraße parke und dann den Broadway hoch auf den Portier des Congress-Hotels zugehe. Ich bin eine Frau mit halbem Gesicht, die vor einem Luxushotel eintrifft, einem dieser großen, glänzenden, hundert Jahre alten Terrakotta-Palasthotels, wo die Portiers noch Frack mit goldenen Schultertressen tragen. Ich trage ein Negligee und einen Morgenmantel. Keine Schleier. Eine Hälfte des Morgenmantels war in einer Autotür eingeklemmt und wurde die letzten zwanzig Meilen über die Straße geschleift. Meine Straußenfedern riechen nach Rauch, und ich versuche ein großes Geheimnis daraus zu machen, dass ich ein Gewehr bei mir habe, unter die Achsel geklemmt wie eine Krücke.
Tja, und ich habe einen Schuh verloren, eine dieser Stöckelpantoletten.
Der Portier in seinem Frack sieht mich nicht mal an. Tja, und meine Haare, ich sehe sie in der spiegelblanken Messingtafel, auf der Congress-Hotel steht. Die kühle Nachtluft hat meine Buttercremefrisur zu einem zerzausten strähnigen Gewirr verfilzt.
Springt zur Rezeption des Congress-Hotels, wo ich verführerisch dreinzuschauen versuche. Man sagt ja, als Erstes nehmen die Menschen am anderen die Augen wahr. Ich genieße die Aufmerksamkeit von Menschen, bei denen es sich um den Wachmann, den Pagen, den Direktor und eine Sekretärin handeln muss. Der erste Eindruck ist sehr wichtig. Es liegt entweder an meiner Kleidung oder an dem Gewehr. Mit dem Loch oben in meinem Hals, mit der heraushängenden Zunge und dem ganzen Narbengewebe darum herum sage ich: »Gerl terk nahfz gah assid.«
Alle sind wie vom Donner gerührt von meinen verführerischen Augen.
Ich weiß nicht wie, aber plötzlich liegt das Gewehr auf dem Schalter und zeigt irgendwo ins Leere.
Der Direktor in seinem marineblauen Blazer mit dem Messingnamensschildchen Mr. Baxter tritt vor und sagt: »Wir können Ihnen alles Geld geben, das wir hier im Schubfach haben, aber den Safe im Büro kann niemand von uns öffnen.«
Das Gewehr
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