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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nicht im Bett aufrichten, aber ich hatte eine Vierzig-Zentimeter-Taille. Ich habe immer noch eine Vierzig-Zentimeter-Taille.«

    Brandy öffnet eine Hand zu voller Blüte und streicht damit über das flache Land, wo ihre Bluse unterm Gürtel ihres Rocks verschwindet. »Man hat mir zwei Rippen rausgeschnitten, und ich habe sie nie wiedergesehen«, sagt Brandy. »In der Bibel steht doch auch was von wegen Rippen rausnehmen.«
    Die Erschaffung Evas.
    Brandy sagt: »Ich weiß nicht, warum ich zugelassen habe, dass die das mit mir machen.«
    Und dann schläft Brandy ein.
     
    Springt zurück zu der Nacht, als Brandy und ich zu dieser Reise aufbrechen, zu der Nacht, in der wir das Congress-Hotel verlassen und in einem offenen Sportwagen mit einem geladenen Gewehr und einer zugedröhnten Geisel davonbrausen, wie man nur nachts um halb drei davonbrausen kann. Brandy am Steuer verbirgt ihre Augen hinter Ray-Bans, damit sie beim Fahren ein wenig Privatsphäre hat. Brandy schlingt ein Hermès-Tuch über ihr kastanienbraunes Haar und verknotet es unter ihrem Kinn, Fertigglamour von einem anderen Planeten in den 1950ern.
    In Brandys Ray-Bans sehe ich nur mich selbst gespiegelt, winzig und hässlich. Abgehetzt und vom kalten Wind zerzaust, der um die Frontscheibe knattert. Der Morgenmantel in der Autotür eingeklemmt. Mein Gesicht, wer mein kaputtes, nur noch aus Narben bestehendes Gesicht berührt, für den fühlt sich das an wie Fetzen von Orangenschale und Leder.
    Wir fahren nach Osten, und ich weiß nicht genau, wovor wir davonlaufen. Vor Evie oder der Polizei oder Mr. Baxter oder den Rhea-Schwestern. Oder vor niemandem.
Oder vor der Zukunft. Vor dem Schicksal. Vor dem Erwachsenwerden, vor dem Altwerden. Die Scherben zusammenkehren. Als ob wir, wenn wir weglaufen, nicht mit unserem Leben weitermachen müssten. Ich bin jetzt bei Brandy, weil ich mir nicht vorstellen kann, ohne Brandys Hilfe aus dieser Sache rauszukommen. Weil ich sie jetzt brauche.
    Nicht dass ich sie wirklich liebe. Ihn. Shane.
    Schon das Wort Liebe klingt ziemlich dünn.
    Das Hermès-Tuch auf dem Kopf, die Ray-Bans auf dem Kopf, Make-up auf ihrem Gesicht, so sehe ich die Queen Supreme im Auf- und Ableuchten, dann Auf- und Ableuchten, dann Auf- und Ableuchten entgegenkommender Scheinwerfer. Was ich sehe, wenn ich Brandy sehe, ist das, was Manus gesehen hat, als er mit mir segeln gegangen ist.
    Jetzt, wo ich Brandy neben mir in Manus’ Auto in Blitzen aufleuchten sehe, wird mir klar, was ich an ihr geliebt habe. Mich selbst. Brandy Alexander sieht einfach exakt so aus, wie ich vor dem Unfall ausgesehen habe. Und warum auch nicht? Schließlich ist sie mein Bruder, Shane. Shane und ich waren ungefähr gleich groß und nur ein Jahr auseinander. Die gleiche Gesichtsfarbe. Die gleichen Züge. Die gleichen Haare, nur dass die von Brandy besser in Form sind.
    Dazu die Fettabsaugung, das Silikon, die Adamsapfelreduktion, die Brauenkorrektur, die Kopfhautverpflanzung, die Stirnkonturierung, die Rhinoplastik zur Begradigung ihrer Nase, die Kieferoperationen zur Formung ihrer Kinnpartie. Dazu jahrelange Elektrolysebehandlung und täglich eine Handvoll Hormone und Antiandrogene, und dann ist es kein Wunder, dass ich sie nicht erkannt habe.

    Und dazu der Gedanke, dass mein Bruder seit Jahren tot ist. Man rechnet einfach nicht damit, Toten zu begegnen.
    Ich liebe mich selbst. Ich war so wunderschön.
    Meine Liebesfracht, Manus ImKofferraumEingesperrt, Manus DerMichUmzubringenVersucht, wie kann ich mir noch einbilden, ich liebe Manus? Manus ist einfach der letzte Mann, der mich für schön gehalten hat. Der mich auf die Lippen geküsst hat. Der mich berührt hat. Manus ist einfach der letzte Mann, der mir gesagt hat, dass er mich liebt.
    Man zählt die Tatsachen auf, und das ist sehr deprimierend.
    Ich kann nur noch Babynahrung essen.
    Meine beste Freundin hat mit meinem Verlobten gevögelt.
    Mein Verlobter hat mich beinahe erstochen.
    Ich habe ein Haus in Brand gesteckt und die ganze Nacht lang unschuldige Leute mit einem Gewehr bedroht.
    Mein Bruder, den ich hasse, ist von den Toten zurückgekehrt, um mir die Show zu stehlen.
    Ich bin ein unsichtbares Monster, und ich kann keinen mehr lieben. Man weiß nicht, was schlimmer ist.
     
    Springt zu mir, wie ich im Becken des Schminktisches einen Waschlappen anfeuchte. In der Unterwasserbadezimmerhöhle sind sogar die Handtücher und Waschlappen aquamarinblau und mit einem Zierstreifen aus kleinen Muschelmotiven umrandet. Ich

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